Schriftstellerei zum Broterwerb

Karin Tebben über Autorinnen im 18. und 19. Jahrhundert

Von Catherine BeckRSS-Newsfeed neuer Artikel von Catherine Beck

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Zuge der Frauenforschung wurden in den letzten zwei Jahrzehnten zahlreiche Werke von fast vergessenen Schriftstellerinnen zu Tage gefördert und systematischen Analysen unterzogen. Daß die literarischen Arbeiten von Frauen dem Broterwerb dienten, war eher ungewöhnlich. Den beschwerlichen und oftmals vergeblichen Versuch schreibender Frauen, ihren Lebensunterhalt mit schriftstellerischen Tätigkeiten zu verdienen, zeichnet der Band "Beruf: Schriftstellerin. Schreibende Frauen im 18. und 19. Jahrhundert anschaulich nach. Zwei literarhistorische Aspekte finden hier Beachtung: Die Herausbildung eines eigenständigen deutschen Literaturmarktes und die steigende Anzahl schreibender Frauen. Da eben dieser Markt von jeher männlichen Konzeptionen und Gesetzen folgte, zeigt sich in dem Aufbegehren einzelner Autorinnen die Pionierarbeit, die wegbereitend für kommende Generationen von Schriftstellerinnen werden sollte. Auch mit den vorschnellen Urteilen über angebliche Künstlichkeit oder Trivialität der literarischen Arbeiten wird gerechtet: einzelne Arbeiten sowie ganze Strömungen werden vor dem Hintergrund der historisch relevanten Sachzwänge betrachtet. So ergibt sich ein differenzierteres Bild der literarhistorischen Realität quer durch die Jahrhunderte.

Vor allem soziokulturelle und kulturtheoretische Überlegungen thematisiert die Herausgeberin Karin Tebben, die auch einen literaturhistorischen Abriß gibt von den mittelalterlichen Zeugnissen weiblichen Schreibens bis zur Romankultur des 18. und 19. Jahrhunderts. Darüber hinaus bietet die Anthologie in bewährter Manier zehn Porträts verschiedener Autorinnen, darunter zum Beispiel Therese Huber, Sophie Mereau-Brentano und Luise Mühlbach. Ausführliche biographische und wirkungsgeschichtliche Abrisse leiten die Beiträge ein; dennoch liegt der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Autorinnendaseins als Profession. In Zeiten eines wahren Booms der Literatur von und für Frauen erscheinen diese Lebenswege als bahnbrechend für die Selbstverständlichkeit, mit der die schriftstellerische Tätigkeit von Frauen und ihre finanzielle Unabhängigkeit heute zusammengehören.

Titelbild

Karin Tebben: Beruf: Schriftstellerin. Schreibende Frauen im 18. Und 19. Jahrhundert.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1998.
339 Seiten, 24,50 EUR.
ISBN-10: 3525012225

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