Nicht ernst zu nehmen

Sibylle Fritschs biologistische Interpretation des "Geschlechterkampfs im Spiegel des Witzes"

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Frauen, so meinte Sigmund Freud, besäßen keinen Humor. Vielleicht fanden sie aber auch nur seine Herrenwitze nicht sonderlich amüsant. Sibylle Fritsch weist Freuds Verdikt - so muss man es wohl nennen - jedenfalls vehement zurück, und alleine die in ihrem Buch "Worüber Frauen lachen" versammelten Witze geben ihr Recht.

Zwar widmet sich Fritschs Werk insbesondere der Frage, wie sich der "Geschlechterkampf" im Witz spiegelt, doch beginnt sie mit einer allgemeinen Erörterung der Funktion von Witzen. Dieser bestehe darin, dass sie von Ängsten und Schuldgefühlen befreiten, die das Über-ich hervorgerufen habe, wie die unter anderem für die Zeitschrift "Psychologie heute" tätige Journalistin im Anschluss an Freuds Buch "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten" erklärt. Andere Funktionen von Witzen - etwa gesellschaftliche oder politische - kommen bei Fritsch nicht vor. Dass Witze in dieser Hinsicht auch alles andere als befreiend sein können, ließe sich an rassistischen Witzen oder Judenwitzen leicht belegen. Nachzuvollziehen ist das auch an sexistischen Witzen, die vielleicht die Mehrzahl aller Witze überhaupt ausmachen, und die in nicht geringer Zahl in Fritschs Buch nachzulesen sind. Da die Autorin die Qualität von Witzen allein nach rein formalen Eigenschaften wie Länge und Aufbau beurteilt, kann es auch schon mal passieren, dass eine ausgesprochen sexistische Zote als Beispiel eines guten Witzes vorgestellt wird.

An einer endlosen Reihe von Beispielen belegt die Autorin, dass Männerwitze "öde Klischees" aufgreifen, wie "die frustrierte Hausfrau, die keifende Ehefrau, die Nymphomanin, die sich anbiedernde Sekretärin oder die unsympathische Schwiegermutter". Witze, die Frauen sich erzählen, legten dagegen "punktgenau den Finger auf die real existierenden männlichen Schwächen wie Uneinfühlsamkeit, Egoismus, sexuelle Phantasielosigkeit, Potenzprobleme und ihre Angst verhöhnt zu werden". Entgegen ihrer Auffassung dürften sich die Witze über Potenzprobleme allerdings nur vordergründig über diese "männliche Schwäche" lustig machen. Tatsächlich zielen sie wohl eher auf männliches Imponiergehabe und Potenzgeprotzte. Auch handelt es sich bei der Angst vor Verhöhnung wohl kaum um eine spezifisch männliche Angst - und ob sie eine Schwäche ist mag dahingestellt sein. Anders als bei den Witzen der Frauen, so die Autorin weiter, blieben die Pointen der 'männlichen' Witze, "in einem bestimmten Schema und spielen mit einem fixen Repertoire". In diesen Witzen, so Fritsch weiter, spiegele sich "Erfahrung" der Männer - und nicht die der Frauen - wieder. Sie wird doch nicht etwa deren Erfahrungen mit keifenden Ehefrauen, mit all den anderen frustrierten Hausfrauen, den vielen Nymphomaninnen, den nicht weniger zahlreichen sich anbiedernden Sekretärinnen und mit den stets unsympathischen Schwiegermüttern meinen?

Fritschs Annahme, dass Frauen sich die "gängigen Witze" schlecht merken, weil diese männlich kodierten sind, ist sicher richtig. Ebenso dürfte zutreffen, dass Frauen "mit eigenen Pointen" reagieren. Doch gelangt die Autorin von diesen Erkenntnissen nicht zu dem entscheidenden Unterschied zwischen den patriarchalischen Gesellschaftsformen sichernden Herrenwitzen und subversivem 'weiblichem' Humor. Die Witze der Frauen, heißt es bei ihr nur vage, seien anders, "weil wir Frauen andere Erfahrungen gemacht haben als Männer und anders sozialisiert sind als Männer". Fritschs fehlendem feministisch-kritischem Bewusstsein entspricht die mangelhafte Kenntnis feministischer Witzkultur. So wird etwa der Witz "Warum haben Fische Schuppen? / Wo sollen sie sonst ihre Fahrräder unterstellen?" kommentarlos unter der Rubrik reiner "Unsinnswitze" subsumiert. Tatsächlich ist es aber ein - vielleicht auch etwas selbstironisch gemeinter - Witz, der während der 70er Jahre in der Frauenbewegung kursierte und auf die Parole "Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad" Bezug nahm.

Statt feministische Erkenntnisse zu einer kritischen Analyse geschlechtsspezifischer Witze zu nutzen entwickelt das Buch eine starke Tendenz zur Ratgeberliteratur. So widmet sich ein ganzes Kapitel der Frage, wie Frauen mit Hilfe von Witzen ihre kriselnden Beziehungen retten können. Auch mit einer nachdrücklichen Warnung vor einem bestimmten Männertyp ist die Autorin zur Hand: "Gerade jene, die sich in Diskussionsrunden als die besseren Feministen gerieren, sind im Alltag kleinlich, zynisch, gemein und machen ihre am Stammtisch erzählten Witze wahr." Dann doch lieber einen gestandenen Macho oder Chauvi!

So wie Fritsch die Funktion des Witzes ausschließlich psychoanalytisch erklärt, so erklärt sie den "Kampf der Geschlechter" (evolutions-)biologisch. Wie ein "Blick in das Archiv der Evolution" zeige, folge das "Strickmuster" geschlechtsspezifischen Verhaltens bestimmten "Mechanismen". Männer hielten zum Beispiel "ständig nach möglichst vielen Geschlechtspartnerinnen für sexuelle Kontakte Ausschau", weil Treue "bei Säugetieren genetisch nicht vorgesehen" sei. Schuld daran sei ein "Untreue-Gen", mit dem im Übrigen auch Frauen geschlagen seien. Des weiteren besagen "[b]iologische Erkenntnisse" der Autorin zufolge, dass Männer "für ihre bescheidene Gefühlsfähigkeit nicht selbst verantwortlich" seien. "Damit muss die Partnerin leben und ihre romantischen Anwandlungen begraben." Und den, wie Fritsch schreibt, männlichen "Drang, möglichst oft und möglichst schnell Sex zu haben" und sich danach sofort "vor den Fernsehapparat verziehen" oder "in Ruhe ein Bier trinken" möchten, erklärt sie mit einem Hinweis auf den männlichen Hormonhaushalt.

Doch auch das Partnerverhalten der Frau hat seine unhintergehbaren biologischen Wurzeln. Wie die Autorin weiß, fragen sich ihre Geschlechtsgenossinnen "insgeheim" immer, ob ein möglicher Sexualpartner materiell "etwas zu bieten" hat. Auch hier, so erfahren wir, kommt das "Strickmuster der Evolution" zum Ausdruck. So erlaube bei den Skorpionfliegen das Weibchen die Kopulation erst, "wenn das Männchen ein ordentliches Brautgeschenk gebracht hat", und während sie es verspeist werde sie begattet.

Dass man bei allem Ärger über einen derart kruden Biologismus gelegentlich dennoch etwas zu lachen hat, ist nicht zuletzt der unfreiwilligen Komik von Fritschs Stilblüten zu danken. Ein Beispiel mag für viele stehen: "Vieles, was für eine Überlebensstrategie und überhaupt die Existenz des Menschen wichtig war, ist zu einer Lebensbedrohung geworden, zum Beispiel Aids."

Titelbild

Sybille Fritsch: Worüber Frauen lachen. Der Geschlechterkampf im Spiegel des Witzes.
Deuticke Verlag, Wien 2001.
238 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3216306089

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch