Verpissé vu, Medames

Robert Gernhardt und Peter Knorr schildern Begegnungen mit dem Landsmann im Ausland

Von Helge SchmidRSS-Newsfeed neuer Artikel von Helge Schmid

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nachdem Hans Magnus Enzensberger in der Anderen Bibliothek die "schlimmsten Reisen" der Weltliteratur mit großem Erfolg auf CD vorgestellt hat, ziehen andere Autoren nach: "Toskana : Mallorca" heißt das "Lese-Duell" von Robert Gernhardt und Peter Knorr, wobei Gernhardt für die Toskana und Knorr für Mallorca steht.

Deutsche im Ausland - immer wieder peinlich. Peter Knorr schildert die Begegnung mit einem Landsmann, der - seit sich Telefongespräche vom Firmennetz aufs Handy legen lassen - einmal im Monat zum verlängerten Wochenende nach Mallorca fliegt und seine Geschäfte vom Café aus erledigt - beziehungsweise nicht erledigt. Natürlich stört er, der geschäftige Gast, ebenso wie die beiden Französinnen, die gerade die Speisekarte studieren ("Verpissé vu, Medames") oder die Handwerker, die sich zum zweiten Frühstück niedergelassen haben und mit ihrem Wagen die schöne Aussicht versperren.

Im Einklang mit der Natur zu leben, sich der Fremde anzunähern, ohne den Status des Gastes aufzugeben, Flora und Fauna zu beobachten, wie man es in der Heimat nie täte - das Programm derer, die im Ausland Immobilien besitzen, um ein "anderes Leben" auf Zeit zu führen, könnte anspruchsvoller nicht sein. Zumal die Deutschen andere Vorstellungen vom Leben haben als die Einheimischen: Sie wollen Ruhe, idyllisch gelegene, nicht einsehbare Grundstücke, gut erreichbare Cafés und Restaurants im pittoresken und gepflegten Stadtkern.

Zu diesem Anspruch gesellt sich der Wunsch nach Exklusivität: "Die meisten Mallorca-Urlauber sind Deutsche. Der letzte Stand: neun Millionen pro Jahr. Und das, obwohl ich seit langem predige: Leute, bleibt weg, es gibt Schöneres auf der Welt!" (Peter Knorr) Man möchte im Ausland nicht belästigt werden, schon gar nicht von Landsleuten, selbst aber belästigt (oder beschäftigt) man die Einheimischen, die sich auf ihre Weise revanchieren, etwa wenn es gilt, ein verstopftes Klo frei zu bekommen. Die Hölle, das sind die anderen: Entweder man versteht ihre Sprache nicht, oder man deutet ihre Sitten und Gebräuche falsch, oder man hat ein anderes Gespür für Schönheit. Oder man erträgt die Ruhe nicht, wie Gernhardts Held (aus "Ich Ich Ich"), der gekommen ist, um zu malen und seine Bildideen in der Ruhe des toskanischen Landlebens zu realisieren.

Die beiden Kontrahenten sprechen ihre Texte selbst und treffen auf ein hörbar dankbares Publikum. Das Duell - fast könnte man sagen: das Turnier - wird in sechs "Begegnungen" ausgetragen: Begegnungen mit der Geschichte, mit fremden Menschen, mit dem Tier, mit der fremden Pflanze, mit der Kultur und mit sich selber. Gernhardt liest mehr Gedichte (aber nicht nur), Knorr liest überwiegend Prosa (aber nicht nur).

Robert Gernhardt hat in gewohnter Qualität und Manier das Cover und das Booklet gezeichnet (mit einer Pinie für Italien und einer Palme für die Balearen), und beide Autoren haben eine kurzen Text zur Einführung in die 'Problematik' ihres jeweiligen Gastlandes beigesteuert. Das Hörbuch geht auf eine Produktion des Westdeutschen Rundfunks zurück, die Live-Aufnahme wurde am 14. April 2001 in Haus Waldfrieden gemacht.

Titelbild

Robert Gernhardt / Peter Knorr: Toskana : Mallorca. Das Lese-Duell. 2 CDs und Booklet. Spieldauer 2 Stunden, 8 Minuten.
Kein & Aber Verlag, Zürich 2002.
16 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 303691126X

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