Anarchischer Witz

Eine Gemeinschaftslesung von Robert Gernhardt, Bernd Eilert und Peter Knorr

Von Watzlaff CapsugelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Watzlaff Capsugel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Es muß in allem, was ein lebhaft erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein." Das Diktum Immanuel Kants, als Sprechblase drei Figuren (im Booklet "Interpreten" genannt) in den Mund gelegt, kann als Produktionsästhetik der Neuen Frankfurter Schule gelten. Widersinnig zur Bibel wäre es beispielsweise, Gott den HErrn bei einem gastfreundlichen Reichen einkehren zu lassen ("Gott auf Erden"), und widersinnig wäre es, eine "Vermißtenanzeige" in der farbigen Metaphorik des Orients aufzugeben.

Die drei Gestalten, von Robert Gernhardt gezeichnet, sind durch die Buchstaben G, E und K individualisiert und können folglich als die erfolgreiche Komik-Boygroup Gernhardt (Jahrgang 1937), Bernd Eilert (Jahrgang 1949) und Peter Knorr (Jahrgang 1939) identifiziert werden, die als Drehbuchautoren für und Stichwortgeber von Otto Waalkes (kurz "Otto") reich, schön und berühmt geworden sind. Ein Live-Mitschnitt des Südwestrundfunks Stuttgart bringt nun (überwiegend) Gemeinschaftsarbeiten der Drei zu Gehör: 1995 bei einer Veranstaltung in Haus Waldfrieden in Alf/Mosel mit viel Hintergrundgelächter aufgezeichnet, präsentiert das Hörbuch eine knappe Stunde feinster Hochkomik.

In historischen Exkursen wird die Kriegs-, Kunst- und Literaturgeschichte des Abendlandes ausgelotet und teilweise neu geschrieben: Eine der ersten Kriegserklärungen der Weltgeschichte, 212 vor Christi Geburt (Fabius Maximus Cunctator versus Hannibal), wird zur schwierigen diplomatischen Mission; das Werk von Botticelli bis Rembrandt wird bisamrattenfrei gemacht. An Kleists Theaterklassiker "Der zerbrochene Krug" lehnt sich die Gemeinschaftsarbeit "Das debile Dorf" an, eine szenische Groteske aus reichen Reimen. Ein modernes Märchen beginnt bei A. A. Milnes Nomenklatur und lässt sich dann kühn aus der Kurve tragen. Eine eigene Studie wird dem "lyrischen Ich" gewidmet: Im Mittelalter sei es noch "herzerfrischend naiv", während es in der Barockzeit die ganze Spannung der Epoche zum Ausdruck bringe; die Aufklärung präsentiere das Dichter-Ich als Lehrmeister, während das "humanistische Ich" das Du ausdrücklich mit einbeziehe: "Ich sehe, was Du auch siehst / und das ist ziemlich rötlich. / Oh halte Dich vom Schweinchen fern, / sein Biß ist nämlich tödlich." In der Moderne, in der Zeit der Ismen schließlich, würde sich auch tote Materie zum Sprecher aufwerfen, wie zum Beispiel der Sandhaufen: "Es muß was Wunderbares sein, von Dir gesiebt zu werden."

Ort der Handlung und Ort der Aufnahme war, wie ein sachkundiger Text von Heiner Boehncke verrät, ein Weingut mit Festsaal im Jugendstil: Dort ging Pit Knorr einmal zufällig aufs Klo und erblickte ein Plakat der Neuen Frankfurter Schule, als deren Fan sich der Winzer, Uli Stein, erwies: "Seitdem kommen meist zu Ostern einige Lehrer der NFS nach Alf in das Haus Waldfrieden, um dort vor hundert arg eng sitzenden Schülern aufzutreten. [...] In Alf wurde so manches mit Blick auf die Mosel und ins dito Weinglas [und ins dito Ohr] erprobt, was später zum allgemeinen Lehr- und Nährstoff der Neue Frankfurter Schule avancierte." Eine Lehrstunde der besonderen Art.

Titelbild

Robert Gernhardt / Bernd Eilert / Peter Knorr: "Die schärfsten Kritiker der Elche waren früher selber welche!". Autorenlesung. CD und Booklet.
Herausgegeben von Heiner Boehncke.
Eichborn Verlag, Frankfurt a. M. 2002.
55 Min., 17,90 EUR.
ISBN-10: 3821852232

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