Nicht ohne meinen Vater

Ein autobiografisches Gespräch von Elisabeth Mann Borgese als Hörbuch

Von Melanie OttenbreitRSS-Newsfeed neuer Artikel von Melanie Ottenbreit

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im Hause Mann Borgese spielten sogar die Hunde Klavier. Ihr begabtester Schüler, erzählt die Lieblingstochter des Dichterfürsten im Gespräch, habe ein beachtliches Repertoire gehabt, das von "Bach bis Bela Bartok" reichte. Auf einem eigens angefertigten Klavier mit extra großen Tasten gab das größte Talent unter den Hunde-Pianisten den "Pilgerchor" aus Tannhäuser zum Besten. Elisabeth Mann Borgese - ausgebildete Konzertpianistin - spielte die linke, der Hund gab mit der Nase die rechte Hand des Stücks.

Das Hörbuch "Mein Leben" ist eine Aufnahme eines knapp 50-minütigen Interviews zwischen Elisabeth Mann Borgese und der NDR-Journalistin Marianne Scheuerl aus dem Jahre 1999. Und viel mehr als bloß eine Sammlung von Anekdoten aus dem Leben der im Februar 2002 verstorbenen Nachfahrin Thomas Manns. Weite Passagen des Dialogs, der während eines Winterurlaubs der Dichtertochter - die eigentlich an der kanadischen Ostküste zu Hause war - entstand, handelt von ihrer größten Leidenschaft: Dem Meer. Als Kind hat sie im Kreis der Familie die Sommerurlaube an der Ostsee verbracht. Über fünfzig Jahre später begann Elisabeth Mann Borgese, sich für den Schutz der Weltmeere und der aquatischen Ökosysteme zu engagieren. Bis zu ihrem Tod blieb sie dieser Leidenschaft treu: Sie war die erste Frau, die Mitglied des berühmten "Club of Rome" wurde. An der Seerechtskonvention der Vereinten Nationen hat sie mitgearbeitet und zusammen mit dem UN-Botschafter Arvid Pardo das "Internationale Ozean-Institut" gegründet. Obwohl sie keinen akademischen Werdegang hatte, unterrichtete Elisabeth Mann Borgese als Professorin Seerecht an der Universität von Halifax.

Es sind gerade diese eher unbekannten Seiten an ihr, der Witwe des Schriftstellers Antonio Giuseppe Borgese, die das Buch so hörenswert machen. Marianne Scheuerl war in ihrem Interview nicht nur den sicherlich kurzweiligen, amüsanten Geschichten auf der Spur, die Elisabeth Mann Borgese als letzte Überlebende der Familie zu berichten weiß - wie zuletzt in Heinrich Breloers preisgekröntem Dokudrama "Die Manns - eine Jahrhundertfamilie", das sie als Kronzeugin kommentierte. Das autobiografische Gespräch zeigt Elisabeth Mann Borgese vielmehr als Umweltlobbyistin und Seerechtlerin, die bis ins hohe Alter - sie starb mit 84 Jahren - für das Gleichgewicht der Natur und die Verantwortung des Menschen für die Ozeane kämpfte.

Elisabeth Mann Borgese war ein Lieblings- und Sonnenkind, auch wenn sie das zeitlebens nicht gerne hörte. In den Passagen, die vom Verhältnis ihrer Eltern zu den sechs Kindern handeln, beschleicht den Hörer manchmal ein mulmiges Gefühl: Niemand will bezweifeln, dass "Medi" - wie sie der Vater nannte - sich bestens mit dem Zauberer verstand. Als "Kindchen" hat Thomas Mann seine jüngste Tochter einmal sogar in Hexametern besungen und die Novelle "Unordnung und frühes Leid" nach ihrem Vorbild verfasst. Die Geschwister Michael und Monika aber hätten ihr Urteil, "dass beide Eltern gute Eltern waren", wohl nur bedingt geteilt.

Der Faszination dieser temperamentvollen Frau, die so viel mehr war als das Kind eines berühmten Mannes, kann man sich nur schwer entziehen. Ihre Stimme bleibt dem, der sie einmal gehört hat, für immer im Ohr. Erst recht aber ihr Humor: Der Journalistin erzählte sie, wie sie ihren Hunden Schreibmaschine schreiben beibrachte. "Good dog - go bed" tippte einer unter Diktat. Als sie den Hund aber dazu aufrief, zu schreiben, was ihm gerade in den Sinn kam, tat sich der Zögling schwer; für ihn war Schreiben bloß eine mechanische Angelegenheit. Die Worte, die er schließlich zu Papier brachte, versah Elisabeth Mann Borgese mit Zwischenräumen und dem Titel "konkretistisches Gedicht". Dass ein Kritiker, der über den Verfasser nichts wusste, befand, der junge Mann habe wohl mit der konkretistischen Schule in Brasilien und Deutschland Verbindung gehabt, hat Elisabeth Mann Borgese köstlich amüsiert.

Titelbild

Elisabeth Mann Borgese: Mein Leben. 1 CD.
Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 2003.
17,90 EUR.
ISBN-10: 3455320120

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