Die Achse des Blöden

Oriana Fallaci versteht die Welt des George W. Bush als Kulturchauvinismus

Von Lennart LaberenzRSS-Newsfeed neuer Artikel von Lennart Laberenz

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Fallacis Buch "Die Wut und der Stolz" wirft zunächst einmal verlegerische Fragen auf, z. B. warum diese 195 Seiten schmerzbefreiten Gestammels erschienen sind. Ohne Zweifel: Stünde nicht der Name der Exilitalienerin Oriana Fallaci mitsamt ihrer schriftstellerischen und journalistischer Vergangenheit darüber, hätte das Werk gewiss keinen Verlag gefunden. Denn das Buch ist eine Qual. Ausgangspunkt sind die Anschläge vom 11. September. Die Autorin, die sich gerne mit Andeutungen über den Grund ihres Exils (der in Wirklichkeit eher die Verletzung ihrer Eitelkeit zum Grund hat) interessant macht, erklärt der Leserschaft, dass sie sich wochenlang praktisch ohne Nahrung und Schlaf daran gemacht hat, ihren Schock über die Ereignisse zu verarbeiten. Freilich, so etwas kurieren andere bei bedauernswerten Friseuren, oder direkt in der Selbsthilfegruppe.

Die distanzlos niedergeschriebenen Attacken gegen den Islam und die Verherrlichung des Patriotismus in den USA sind denn auch fühlbar aus selbstgewählter Emigration in die intellektuelle Dumpfheit geprägt. Für Fallaci gerät jede Moschee zum Hort des Terrors. Voller Hass blickt die Autorin auf Italien - wo sie nicht mehr sonderlich ernst genommen wird. Hier, so behauptet sie frei heraus in einem langen, nichts erklärenden Vorwort von beinahe 50 Seiten, "wimmelt es in den Moscheen, die [...] in Italien im Schatten unseres vergessenen Laizismus und unseres deplatzierten Pazifismus aus dem Boden schießen, bis zum Überdruss von Terroristen oder solchen, die es werden wollen." Wer von hier aus weiterliest, hofft vermutlich auf spektakuläre Beleidigungen oder ist ungewöhnlich duldsam bezüglich überflüssiger und von jedem organisierten Lektorat schnell beseitigten Wiederholungen und beinahe unterirdisch schlechtem Stil. Die Autorin ist dabei in einem Maße eitel, das nur schamlos zu nennen ist. Ohne wirklichen Zusammenhang berichtet sie etwa von ihrer wenig begüterten Kindheit und ihrer dennoch erwachten Liebe zur Lektüre. So schildert sie ihre erste Begegnung mit "Tausendundeine Nacht", die ihr als Kind zunächst verboten, dann aber doch erlaubt wurde. Eine dritte Ausgabe des Werkes erstand Fallaci dann "letzten Sommer bei Ken Gloss, meinem antiquarischen Buchhändler in Boston, zusammen mit den "Œuvres Complètes" von Madam de La Fayette, gedruckt 1812 in Paris, und mit den "Œuvres Complètes" von Moliére, gedruckt 1799 ebenfalls in Paris." Solcherlei wiederholt auftretende Momente sollen den Lesern wohl suggerieren, dass Signora Fallaci eine leichterhand zum Kauf kostspieliger Bücher entschiedene Intellektuelle ist.

So eingeleitet entwickelt sich der Text zum Manifest. Eine ruhigere Diktion und eine tiefere Stimme sowie die intellektuelle Schlichtheit der Aussagen könnten phasenweise mit offiziellen Reden des derzeitigen Präsidenten der USA verwechselt werden. Direkt adressiert, müssen sich die Leser tatsächlich eine Suada aus Wut und Stolz anhören - bekanntermaßen keine guten Ratgeber bei der Behandlung einer komplexen Materie. Dabei offenbart sich, dass Wut und Stolz ungleich verteilt sind. Die maßlose Wut macht aus dem Islam, wofür Samuel Huntington bereits eine vornehme akademische Fassade gefunden hatte, den er aber im Grunde ähnlich begriff: eine unkultivierte Horde von "Halunken", "Terroristen", oder "Terroristenanwärtern". Der Stolz der Oriana Fallaci bezieht sich allerdings auf die "Befreiung des Plebs" durch die Unabhängigkeitskriege und die Amerikanische Revolution. Sie ist die Matrix, die eine grundsolide Rechtschaffenheit und die übliche Diktion von 'Demokratie und Freiheit' einläutet. Weil die USA historisch eine frühe Verankerung der Bürgerrechte aufweisen können, glaubt Fallaci in einer bedauernswerten Logik jeder Berichterstattung von CNN. Nationalismus sei dann berechtigt, wenn er sich nur militant gegen das Böse armieren könne.

Auf beiden Seiten funktioniert so ein Perpetuum Mobile; die sinistre Bösartigkeit des Islam, der offensichtlich legitimer Anlass der Kreuzzüge war, ihm gegenüber die strahlend helle Freiheit der USA. Das Verhältnis der beiden Pole ist - nun, wir haben es geahnt - dadurch gekennzeichnet, dass der stereotyp dunkelhaarige Mann mit seinem langen Bart alles, was Fallaci für den Westen einfällt, vernichten will. Den Lesern offenbart sich eine vulgarisierte Version des "Clash of Cultures". Fallaci rüstet für den Kampf.

In dieser Dichotomie entwickelt sie allerhand Widersprüchliches und im ganzen nicht einen weiterführenden Gedanken. Das Weltbild bleibt einfach und undifferenziert, voll angestrengter Militanz. Wenn das Ende endlich erreicht ist bleibt der Geschmack der tiefen Angst einer verstörten Autorin zurück. Die Komposition aus eingestreuten Eitelkeiten und redundanten Beschimpfungen im Dienste grobschlächtiger Provokation ist nichts weiter als ermüdend.

Titelbild

Oriana Fallaci: Die Wut und der Stolz.
Übersetzt aus dem Italienischen von Paula Cobrace.
List Verlag, München 2002.
195 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3471775587

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