Lässige Golfrunde mit bitterem Nachgeschmack

Heiner Links "Frl. Ursula"

Von Monika NowickaRSS-Newsfeed neuer Artikel von Monika Nowicka

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Männer und ihr Spielzeug. Die Autos, das Golfspielen und natürlich die vielen Frauen, die es zu verführen gilt. Lässig und ohne unnötiges Ausschweifen werden diese Aspekte der Männerwelt in "Frl. Ursula" thematisiert. Die Ehefrau ist selbstverständlich auch vorhanden, doch nur als unwesentlicher Störfaktor, mit offenem Mund und im Tiefschlaf vor dem laufenden Fernseher. Die Arbeit, durchaus lukrativ, ein Statussymbol und somit letztlich auch nur ein Mittel, bei neuen Eroberungen. So wird ein Mitarbeiter gefeuert, da man seine Stelle mit einer Frau besetzen will, um sie "rumzukriegen".

In fröhlicher Golfclub-Männer-Runde erzählt man sich von früheren Errungenschaften oder von neuen Eroberungsplänen. Glücklicher oder fataler Weise gibt es neben den zahlreichen lockeren Liebeleien, die genau so schnell enden wie sie zustande gekommen sind, einen zuverlässigen Faden und ein Ziel, das der Held - ungebrochen - zu erreichen sucht: Frl. Ursula. Ein Trost?

Vorgärten, Golfspiele, gepflegtes Speisen beim Italiener, Kurzurlaube auf Kuba - das scheint die Realität der Figuren zu sein. Sinnlos, unkompliziert, oberflächlich, banal - wäre nicht hier und da die erdrückende Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit des Einzelnen zu spüren, die man mittels Johanniskraut und übermäßigem Alkoholgenuss zu ersticken sucht. Denn durch die Komik des Banalen schimmert die Tragik des Absurden.

Das Tragische der Sehnsucht nach etwas Dauerhaftem, Bedeutungsvollem, einer Sehnsucht, die zu stillen man nicht im Stande ist, weil das "Kleine" immer im Wege steht. Eine Revolution scheint nötig! Doch bleibt sie nur eine wirre Fantasie des Protagonisten.

In der Realität reicht der Mut nur zu einer Revolte gegen den Wunsch der Mutter, Jura zu studieren; man wählt Volkswirtschaftslehre und schreibt heimlich Sprüche an die Wand der Golfclub-Toilette, die nicht einmal von einem selber stammen ...

Über der heiteren Fassade scheint stets eine Tragik zu schweben, die im Selbstmord eines Mitgliedes der Männer-Runde zum Ausdruck kommt.

Trotz der offensichtlichen Unmöglichkeit, dem Banalen zu entfliehen, ist von Verbitterung im Buch keine Spur. Im Gegenteil, durch Aufzeigen des Absurden im Normalen gelingen Heiner Link Komik und Ironie. Dabei stellt sich der Autor zu keinem Zeitpunkt über seine Figuren. Vielmehr ist er mittendrin, ist einer von ihnen, was durch die Ich-Perspektive noch bekräftigt wird.

Der Stil ist stets sachlich, referierend, beinahe geschäftlich, was in Anbetracht des Inhalts wahre Komik hervorzaubert. ("Es habe für ihn nie zur Disposition gestanden, sein Bier woanders einzunehmen". )

"Frl. Ursula" ist Heiner Links letztes Werk. Der Autor zahlreicher Erzählungen und anderer Prosa starb 2002 bei einem Motorradunfall in München. In einem Nachwort erinnert sich sein Freund und Kollege Norbert Niemann an den Verstorbenen. Es ist ein persönliches Nachwort, das die Werke und die Absichten des Autors in einer verabschiedenden Weise würdigt.

Titelbild

Heiner Link: Frl. Ursula. Roman.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2003.
223 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3498039164

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