Zwei Meisterinnennovellen von Marlen Haushofer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In Zeiten, da Verlage mit allerlei Popschrott Furore zu machen suchen, legt der List Verlag zwei ausgezeichnete Novellen auf, und zwar mit dem Förderpreis des Österreichische Staatspreises und mit dem Arthur-Schnitzler-Preis, vor fünfzig und vor vierzig Jahren. Den Förderpreis erhielt eine damals noch namenlose Autorin für ihr Erstlingswerk "Das fünfte Jahr", einem Präludium zu ihrer wunderbaren Kindheitsgeschichte "Himmel, der nirgendwo endet". In "Wir töten Stella", der mit dem Schnitzler-Preis ausgezeichneten Novelle, erzählt Marlen Haushofer in der für sie so typischen unprätentiösen, scheinbar harmlosen Schreibweise vom alltäglichen familiären Grauen, in dem Utopie nur als Todessehnsucht leben kann und der "schlimmste Gedanke" ist, "daß auch der Tod nicht tödlich genug sein könnte". Das erheuchelte Familienidyll wird zum "Kerker", in dessen "völliger Ausweglosigkeit" selbst der an sich geringe Wunsch, in Ruhe leben zu können, schuldhaft ist, in dem er ein "törichtes junges Mädchen" dem "guten Onkel" zuführt und ein Opfer zur Mittäterin werden lässt.

R. L.

Titelbild

Marlen Haushofer: Wir töten Stella. Das fünfte Jahr. Novellen.
Ullstein Taschenbuchverlag, Frankfurt a. M. 2003.
112 Seiten, 6,95 EUR.
ISBN-10: 3548603319

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