Ehre, Reichtum, Ruhm und Liebe

Was angehende Autoren in Seminaren lernen

Von Hans-Ulrich TreichelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hans-Ulrich Treichel

Seit ich am Deutschen Literaturinstitut Leipzig unterrichte, muss ich regelmäßig Besuchern, Journalisten und anderen Interessierten über Erfolg oder Misserfolg unserer Ausbildung berichten. Und es kann durchaus passieren, dass sich jemand nicht nur nach Seminarinhalten, Methoden des Creative Writing, nach Lehrangeboten und den Namen unserer Gastprofessoren erkundigt, sondern auch ganz unverblümt die Frage stellt: "Ist schon einer Ihrer Studenten berühmt geworden?"

Ich könnte darauf mit einem Witz reagieren und antworten: "Ja natürlich, es hat sich nur noch nicht herumgesprochen." Doch ginge der Witz auf Kosten der Realität, schließlich sind einige unserer Studierenden und Absolventen wenn nicht auf dem Weg zum Ruhm, so doch auf dem zu einer durchaus viel versprechenden Schriftstellerlaufbahn, die, wer weiß, vielleicht sogar einmal zu größerer Bekanntheit oder gar zu dem, was man Ruhm nennt, führen könnte. Sie haben bereits in größeren Verlagen publiziert, haben Preise und Stipendien bekommen und neben anerkennenden Rezensionen zuweilen auch schon, wie beispielsweise Juli Zeh mit dem Roman "Adler und Engel", beachtliche Verkaufserfolge für sich verbuchen können.

Sollte man also allen, die mit dem Schreiben, wie Sigmund Freud dem Künstler nachsagt, "Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm und die Liebe der Frauen" erwerben möchten, ein Studium am Leipziger Literaturinstitut empfehlen?

Ganz abgesehen von der Tatsache, dass Freud hier vor allem das männliche Künstler-Ich im Blick hat, wird niemand eine ernsthafte Antwort auf diese bloß rhetorische Frage erwarten. Es wäre übertrieben, die Autorenexistenz als Opfergang und Martyrium à la Franz Kafka zu betrachten, der den "frischen Stachel des Unglücks" als Schreibhilfe brauchte. Doch muss zugleich vor jeder Erfolgs- und Glücksillusion dringend gewarnt und Enttäuschungsfestigkeit empfohlen werden. Denn es ist sehr gut möglich, mit dem Schreiben, so handwerklich solide und passioniert es auch sein mag, dennoch keinen Erfolg zu haben. Oder nur einen kleinen. Zumindest keinen, der dazu taugt, Ehre, Macht, Reichtum, Ruhm oder Liebe zu erwerben.

Es könnte aber mit dem Schreiben etwas anderes erworben werden: ein Medium und eine Tätigkeit, die dem Schreibenden hilft, sein Ich in der Balance zu halten. Wenn der Künstler, um nochmals Freud zu bemühen, "ein Introvertierter ist, der es nicht weit zur Neurose hat", dann wäre der Schriftsteller zumindest jemand, der schreibend den Abstand zu seiner Neurose sichert. Das ist immerhin etwas. Und der schreibende Mensch wäre weise, sich gegebenenfalls damit zufrieden zu geben.

Aber der schreibende Mensch ist nicht weise, sondern ein glücks- und anerkennungshungriger Mensch, der zuweilen auch zum Größenwahn neigt. Geholfen werden kann ihm nur bei der Erarbeitung seiner technischen und handwerklichen Mittel. Und dabei kann ihm auch eine Institution wie das Deutsche Literaturinstitut nützen. Sich von seinen Träumen heilen muss er allerdings selbst. Es sei denn, die Träume werden wahr. Dann muss er nur noch lernen, was es heißt, wenn, bei entsprechender Nachfrage, aus der großen Lebensreise die große Lesereise wird.