Aus dem hohlen Bauch gesprochen

Peter Handkes Textsammlung "Über Musik" ist dem Thema nicht ganz gewachsen

Von Oliver van EssenbergRSS-Newsfeed neuer Artikel von Oliver van Essenberg

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Titel des neuen Buchs von Peter Handke, "Über Musik", ist vielversprechend. Statt kulturkritischer Klagen über Entfremdung und der Suche nach poetischer Selbstverwirklichung hätte der Autor durch einen erfrischend unakademischen Text über inzwischen verblasste Musik-Legenden alte und neue Leser für sich gewinnen können. Die Veröffentlichung fällt dagegen relativ dürftig aus.

Die Rechnung des Verlags, der wohl großes Vertrauen auf Handkes Bekanntheit, aber weniger auf den Gehalt des Werks setzte, scheint nicht ganz aufzugehen. Anders lässt es sich kaum erklären, dass im vorliegenden Band lauter bereits veröffentlichte Textauszüge aus Erzählungen, Romanen, Essays und anderes mehr aneinandergereiht wurden, wo doch das Thema Musik in Handkes Schaffen nur eine geringfügige Rolle spielt.

Wer sich für die Beat-Explosion der sechziger Jahre und ihre Folgen interessiert, ist mit dem Buch zunächst nicht so schlecht beraten. Denn der Autor dokumentiert als Kind dieser Zeit eben auch die bewusstseinsverändernde Kraft, die jener Musik zuerkannt wurde und sie zu einem Leitmedium der Jugendbewegung werden ließ, natürlich immer mit der Hoffnung, die Welt verbessern zu können - jetzt aber echt! Geradezu rührig lesen sich im nachhinein die angestrengten Bemerkungen des Autors über die "Schwierigkeit, einen Schlagertext zu schreiben".

Sichtbar werden bei genauer Betrachtung auch die zutiefst romantizistischen Motive der Kriegskinder-Generation, aus der Handke stammt. Als Sterne im musikalischen Kosmos werden die Beatles, eine Jukebox, instrumentale Volksmusik, vornehmlich aus Jugoslawien, und Bluesrock aufgeführt. Handkes Tochter Amina erweitert die Texte um schlichte Illustrationen.

Ganz und gar außen vor bleibt allerdings die historische Dimension des Themas, die Tatsache also, dass es sich bei den unzähligen Spielarten der Sechziger-Jahre-Boheme um multikulturelle Phänomene handelt, die, mit Ausnahme der meisten islamischen und kommunistischen Länder, sogar im konservativen Südafrika und im muslimischen Indonesien einschlugen.

Sicher sollte es nicht Handkes Aufgabe sein, das nachzuzeichnen. Aber auch dort, wo es um formale Fragen zum Verhältnis von Musik und Stille, Musik und Schreiben sowie Sprechen, Reden und Singen geht, wirken die Ausführungen merkwürdig blaß. Mit dieser Textauswahl tut man dem Autor keinen großen Gefallen.

Titelbild

Gerhard Melzer (Hg.): Über Musik.
Literaturverlag Droschl, Graz 2003.
102 Seiten, 31,00 EUR.
ISBN-10: 3854206232

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