Heiße Hüpfer

Terry Pratchetts neuer Roman

Von Timo KozlowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Timo Kozlowski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Heiße Hüpfer"? Der deutsche Titel von Terry Pratchetts jüngsten Roman, der hierzulande erschienen ist, weckt nicht gerade Leselust. Zu sehr läßt der deutsche Titel zwischen den zwei Buchdeckeln zotige Humorversuche vermuten - wenn man von Terry Pratchett zuvor noch nichts gelesen und seinen absurd-hintergründigen Humor noch nicht zu schätzen gelernt hat.

Fast möchte man es dem Goldmann-Verlag hoch anrechnen, auf dem "Heiße Hüpfer"-Cover das Werbezitat aus Publisher's Weekly, daß Terry Pratchett "Der Douglas Adams der Fantasy" sei, nicht abgedruckt zu haben. Zwar ist der Humor von Pratchett und Douglas Adams, dem Autor von "Per Anhalter durch die Galaxis", ähnlich absurd, aber stilistisch unterscheiden sich beide erheblich. So ist Terry Pratchett von den beiden eindeutig der traditionellere Autor, dem man in der Regel auch seine jahrelange Erfahrung anmerkt. Vor allem versteht er es, wie fast kein anderer, mehrere Erzählstränge, die zeitgleich verlaufen, und zunächst scheinbar nichts miteinander zu tun haben, geschickt zu verknüpfen.

"Heiße Hüpfer" spielt ein weiteres mal auf der "bizarren Scheibenwelt", einer Fantasywelt, in der die bekannten Klischees von Fantasykitschromanen wie "Conan, der Barbar" und Konsorten kräftig gegen den Strich gebürstet werden. Das Bild dieser Scheibenwelt hat sich Pratchett aus der indischen Mythologie ausgeliehen und wird folgendermaßen beschrieben: Sie besitzt die Form einer Scheibe, die auf dem Rücken von vier Elefanten steht. Und diese wiederum befinden sich auf einer gigantischen Schildkröte, die durchs Multiversum (!) kriecht. Mittlerweile gibt es nicht nur 20 Romane von Terry Pratchett, die auf der Scheibenwelt spielen, sondern auch enzyklopädische Werke dazu vom selben Autor, sowie zwei Discworld-Graphikadventures für den Computer. Im Laufe der Zeit hat sich ein fester Pool von Figuren gebildet, auf den Pratchett immer wieder zurückgreift: Tod, der ohne Anführungszeichen und nur in Großbuchstaben spricht, die Zauberer der Unsichtbaren Universität, deren Bibliothekar - früher war er ein Zauberer, aber dann haben ihn die Bücher der Bibliothek in einen Orang-Utan verwandelt - und Rincewind, nicht nur der schlechteste Zauberer sondern auch der größte Feigling auf der Scheibenwelt, der aber dennoch immer wieder die Welt retten muß.

Ein Blick aufs Cover genügt, um in der roten Wüstenlandschaft mit dem großen Felsen am Horizont Australien zu erkennen, und in der Tat hat sich Pratchett von down under inspirieren lassen, um den "Letzten Kontinent" (so die Übersetzung des englischen Originaltitels) zu schildern. Ein Kontinent, der in Gefahr ist, auszutrocknen, weil es dort noch nie geregnet hat. Rincewind, den es im vorherigen Roman dorthin verschlagen hatte, soll IcksIcksIcksIcks (so der offizielle Name des letzten Kontinents) vor dem Austrocknen retten.

Wie gewohnt ist Pratchetts Humor wie der australisch anmutende Sand auf dem Cover: staubtrocken und very british. Es mangelt ihm auch diesmal nicht an den kleinen Details und verrückten Nebenfiguren, die seine Romane immer wieder lesenswert machen, auch die Anspielungen auf bekannte Filme aus Australien wie "Mad Max" oder "Priscilla, Königin der Wüste" lassen den Leser mehr als nur schmunzeln, und die absurden Streitgespräche und Diskussionen der Zauberer sind herrlich zu lesen. Überhaupt kann man in den "Heißen Hüpfern" erkennen, wie die Briten als ehemalige Kolonialmacht ihre ehemalige Strafkolonie auf der anderen Seite des Globus betrachten, nämlich mit einem gewissen Maß an Erstaunen und Snobismus. Zum Glück ironisiert Pratchett den Weltmachtshabitus, den seine Landsleute bis zum heutigen Tag nicht ganz abgelegt haben, indem er die Zauberer wie eine lärmende und respektlose Touristenmeute in Icksicksicksicks einfallen läßt, die zwar nicht besser als ihre dortigen Kollegen sind, aber ihnen spöttelnd und herablassend begegnen.

Dennoch hinterläßt "Heiße Hüpfer" ein etwas schales Gefühl. Dies liegt vor allem daran, daß man gegen Ende den Eindruck gewinnt, daß Pratchett die Geschichte aus den Fingern geschlüpft ist und er auf Biegen und Brechen versucht, die beiden Haupterzählstränge zu verbinden und ein Ende herbeizuführen. Daß er das bei weitem besser kann, hat Pratchett schon oft genug gezeigt. Angesichts der vielen köstlichen Szenen, Beschreibungen und Dialoge, die dem glücklicherweise vorangehen, kann man über den recht uninspirierten Schluß zwar hinwegsehen, aber etwas enttäuscht ist man schon. Wer Pratchett schon kennt und mag, der sollte sich dennoch nicht von den "Heißen Hüpfern" abhalten lassen. Wer aber noch nichts von ihm gelesen hat, der ist mit "Der Zauberhut", "Gevatter Tod" oder "Alles Sense" eindeutig besser beraten - oder vielleicht mit "The fifth elephant", Pratchetts neuestem Roman, der in England gerade erschienen ist. Die deutsche Übersetzung dürfte nur eine Frage der Zeit sein.

Titelbild

Terry Pratchett: Heisse Hüpfer. Ein Scheibenwelt-Roman.
Goldmann Verlag, München 1999.
352 Seiten, 9,20 EUR.
ISBN-10: 3442416469

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