Eine Bestie schwört Rache

Alberto Vázquez-Figueroas Roman "Der Leguan"

Von Kristina HabermannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Kristina Habermann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Ich wollte wie die Männer sein, die außergewöhnliche Dinge erzählen. Denn sie ließen mich träumen, sie ließen mich vergessen, es war großartig". Diesem Wunsch macht Alberto Vázquez-Figueroa mit seinem neuen Roman alle Ehre. Auf einer kleinen einsamen Insel spielen sich menschliche Dramen ab - erklärt ein Einzelner der Welt den Krieg. "Ich war sechs Jahre alt, da haben sie mich zu viert festgehalten und mich gezwungen, mich lange im Spiegel anzuschauen. Weißt du, in wie vielen Sprachen ich das Wort Monster kenne? In achtzehn, und dazu gehören Chinesisch, Malaiisch und Quechua. Wie soll ich an einen Gott glauben, der mich mit diesem Gesicht in die Welt schicken konnte?" Oberlus - auch der Leguan genannt - bewohnt eine Insel in der Nähe der Galapagos-Inseln und schwört der Gesellschaft Rache. Lange Zeit wurde der Leguan - ein hässliches monsterähnliches Wesen - verspottet, nun sollte sich der Spieß umdrehen. So kapert er Schiffe, erschießt oder verbrennt Teile der Besatzung, macht die Übriggebliebenen zu seinen Sklaven und behandelt sie ohne Gefühl, ohne Mitleid. Vázquez-Figueroa erschuf mit seiner Hauptfigur ein Monstrum, einen Wüstling, eine Bestie, die perverse Befriedigung daran findet, ihre Opfer körperlich und seelisch zu vergewaltigen - einen Unmenschen von "unbeschreiblich abstoßender Hässlichkeit" mit einer "Ekel erregenden, abscheulichen Fratze".

Der Leguan - ein beklemmendes Buch, ein beeindruckendes Buch, ein Buch, das durch seine Gegensätze zum Lesen begeistert. Einerseits sind da die schönen Landschaftsbeschreibungen. Die Insel wirkt paradiesisch, ruhig und kennt die Wunder der Natur. Andererseits regiert auf ihr ein Diktator durch Terror und Gewalt. Beide Bilder sind in eine stille und einfache Sprache verpackt. Da wirkt jede grausame Szene noch realistischer und jagt dem Leser Schauer über den Rücken.

Apropos realistisch: Im äußersten Süden der Galapagos-Inseln liegt tatsächlich eine kleine Insel - Hood oder "La Espanola" genannt. Die Anlegestelle trägt den Namen "Oberlus-Bucht" und erinnert an einen Wüterich, der dort Ende des 18. Jahrhunderts gelebt hat. Der 1936 in Santa Cruz de Tenerife geborene Vazquez-Figueroa verwandelte demnach eine wahre Begebenheit in einen atemberaubenden Abenteuerroman - eine Story, die gewöhnliche Geschichten umfasst: Gewalt, Liebe und das Verhalten in Extremsituationen.

Und doch ist der Roman alles andere als normal. Oberlus Gewalttaten sind nicht ein bisschen nachvollziehbar und doch kann man hinter seine Fassade blicken. Die Liebesstory geht an Herz und Nieren - brutale Vergewaltigung und lüsternes Begehren reichen sich die Hand. Und alles spielt sich auf einer kleinen Insel ab, erinnert aber nicht annähernd an Robinson Crusoe.

Titelbild

Alberto Vazquez-Figueroa: Der Leguan. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Jan Moewes.
Unionsverlag, Zürich 2003.
284 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 3293003079

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