Nelly Sue, zukünftige Princess of Wales

Holly-Jane Rahlens erzählt in "Prinz William, Maximilian Minsky und ich”, wie Nelly Sue fast den künftigen Kronprinzen Englands erobert

Von Anette MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Anette Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Nelly Sue Edelmeister, brillante Schülerin und Weltraumforscherin in spe, kennt seit der Beerdigung von Prinzessin Diana nur ein Ziel: Prinz William treffen! Schließlich muss der Junge nach dem Verlust seiner Mutter getröstet werden. Und das kann natürlich nur die einzigartige Nelly, die fortan die royalen Websites nach Informationen über ihren Schwarm durchforstet. Doch wie kommt man an einen englischen Prinzen heran?

Die Chance scheint gekommen, als die Basketballmannschaft von Nellys Internationaler Schule nach Eton eingeladen wird, jener Eliteschule, die Prinz William besucht. Nelly muss mit - auch wenn sie noch nicht zur Mannschaft gehört. Nur wenige Wochen hat sie Zeit, um sich das Basketballspielen anzueignen - keine einfache Aufgabe, wenn man mit Sport so gar nichts am Hut hat.

Nellys bisher so geregeltes Leben wird plötzlich turbulent - sie, die sich nie um Freundschaften bemüht hat, lässt sich nun von Schulkameradin Pia Basketball beibringen, liest Teenager-Zeitschriften und vernachlässigt, sehr zum Verdruss ihrer amerikanischen Mutter Lucy, das Studium der Thora und die Vorbereitungen zur ihrer Bat-Mizwa, der Aufnahme in die jüdische Gemeinde. Und als ob das alles nicht schon genug Stress wäre, muss Nelly dem Neuzugang an ihrer Schule, Maximilian Minsky, Deutschunterricht geben. Mit dem Goth kann sie so gar nichts anfangen, bis sich herausstellt, dass Maximilian zwar aussieht, als arbeitete er in der Geisterbahn, aber Basketball spielen kann wie sonst kaum jemand an Nellys Schule. Die beiden kommen ins Geschäft: Nelly überlässt Maximilian ihr Honorar für die erteilten Deutsch-Nachhilfestunden, wenn er sie dafür im Basketball trainiert. Die Zwangsgemeinschaft geht für beide manchmal bis über die Grenzen des Erträglichen, aber dass sie wohl in Zukunft mehr voneinander sehen werden als ihnen lieb ist, wird ihnen spätestens klar, als Nellys Vater und Maximilians Mutter eine Affäre beginnen.

Holly-Jane Rahlens, "gelernte Berlinerin aus Brooklyn" (F. A. Z.), schreibt voller Witz und Tempo über ein Mädchen, dessen Leben sich innerhalb weniger Wochen kolossal ändert. Aus der Streberin, die ihre Freizeit in der Bibliothek und mit Sternenforschung verbringt und die abends ihren Vater fragt, ob sie anders sei, da ihre Mitschüler sie schneiden, wird schnell ein ganz normaler Teenager, der für einen Prinzen mit Popstar-Status schwärmt und merkt, dass es doch ganz okay ist, sich mit Gleichaltrigen einzulassen, auch wenn es nur ums Basketballspielen geht.

Die inzwischen mehrfach ausgezeichnete Autorin hat mit Nelly Sue Edelmeister eine Protagonistin geschaffen, die weit entfernt ist vom coolen, durchgestylten, MTV-korrumpierten Teenager und die eine liebenswerte Hilflosigkeit an den Tag legt - versucht sie doch, mittels Basketball-Büchern aus der Bibliothek sportlich auf die Höhe zu kommen, kultiviert einen britischen Akzent und schreibt E-Mails an Prinz William, die sie sich nicht abzuschicken getraut. Holly-Jane Rahlens' Geschichte eines jungen Mädchens, das zum ersten Mal von der Liebe erwischt wird, kommt lebensnah daher, ohne gewollt zu sein. Die Autorin bedient sich weder einer konstruierten Jugendsprache noch stilisiert sie ihre Nelly zur strahlenden, siegreichen Heldin. Nelly hat auf 212 Seiten mehr durchzustehen, als die emotionalen Berg- und Talfahrten der ersten Liebe, und vielleicht ist es gerade diese Dichte an Ereignissen - die Trennung der Eltern, der Tod der Ersatz-Oma, die Einsicht, dass es bei der Bat-Mizwa möglicherweise um mehr geht als um Geschenke -, die Nellys Geschichte Leben einhauchen. Zwar bietet das Leben Nelly nicht das Happy End an, das sie so herbeigesehnt hat, und Prinz William kommt nicht nach Berlin geritten, um Nelly nach Buckingham Palace zu holen, aber leer geht Nelly trotzdem nicht aus. Denn wie das Leben so spielt, zeigt sich das Glück in anderer, unerwarteter Form.

Titelbild

Holly-Jane Rahlens: Prinz William, Maximilian Minsky und ich. Roman.
Übersetzt aus dem Englischen von Ulrike Thiesmeyer.
Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg 2002.
212 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3499211599

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch