Von Krokodilen und Wölfen und wie man seine Angst überwindet

Per Olov Enquists erstes Jugendbuch "Großvater und die Wölfe" überzeugt durch Witz und Gefühl

Von Julia SchusterRSS-Newsfeed neuer Artikel von Julia Schuster

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Alle müssen Stiefel tragen. Und alle müssen satt sein, wenn wir aufbrechen. Und keiner darf Angst haben." Der Großvater bereitet seine Crew, bestehend aus seinen vier Enkeln, auf eine gefährliche Mission vor: Eine Expedition auf den Dreihöhlenberg, wo es echte Wölfe und leibhaftige Bären gibt. Über Nacht soll sie dauern, ein Basislager mit Notproviant (Würstchen mit Senf und zwölf Keksschokoladen) ist bereits am Fuß des Berges eingerichtet. Das Abenteuer kann beginnen.

Alles fing an, als Mina eines Nachts von einem fiesen grünen Krokodil in den Po gebissen wurde. Ihre phantasielosen Eltern mögen behaupten, sie habe das nur geträumt, doch ihr Großvater erkennt den Ernst der Lage und handelt sofort. Erstens, ein Hund muss her, um Mina zu beschützen, zweitens, man muss "etwas ganz Großes tun, sodass ein Angriff eines Krokodils einem wie ein ganz kleiner Scheiß vorkommt. Zum Beispiel eine Expedition durchführen". Ein Mann, ein Wort. Dass der Großvater sich schon lange wünscht, den Dreihöhlenberg zu bezwingen, behält er erst mal für sich. Natürlich sollen auch Minas Schwester, ihre zwei "Kussis" und Großvaters alte Hündin mit von der Partie sein. Die Sache hat nur einen winzigen Haken: Die Eltern der Kinder halten nicht allzu viel von den alternativen Erziehungsmethoden des Großvaters und sollten von der Aktion besser nichts wissen. Und wenn da nicht dieses schreckliche Unglück geschehen wäre, hätten sie auch bestimmt niemals davon erfahren.

Letztendlich werden aber alle kleinen und großen Probleme souverän von der Truppe gelöst. Wenn sich die Kinder nicht sicher sind, ob das Wolfsjunge, das sie eben gerettet haben, ein Männlein oder Weiblein ist, nennen sie es einfach Maja-Rubert. Und als die Gruppe bei der gefährlichen Bergexpedition in eine scheinbar hoffnungslose Situation gerät, hat der Großvater schon den nächsten Plan parat. So leicht bringt die fünf nichts aus dem Konzept, schließlich befindet man sich auf einer Mission gegen die Angst.

Mit "Großvater und die Wölfe" legt der schwedische Erfolgsautor Per Olov Enquist, der in Deutschland vor allem durch seinen viel gelobten historischen Roman "Der Besuch des Leibarztes" (2001) bekannt wurde, sein erstes Kinderbuch vor - und es ist ihm glänzend gelungen. Es begeistert vor allem durch seine liebenswerten Charaktere. Der Großvater, im Herzen ein Kind geblieben, wird von seinen eigenen Kindern aufgrund seiner "Dichternatur" für nicht ganz voll genommen und wird schon mal ins Klo gesperrt, wenn er sich "daneben benommen hat". Er hat ja nicht einmal einen richtigen Job, die meiste Zeit sitzt er nur da und schreibt Bücher. Seinen Enkeln dagegen ist er absolut ebenbürtig, ein Mitverschwörer gegen die Generation, die zwischen ihnen liegt. Deswegen lieben sie ihn so sehr - und jedes Leserkind wird sich sehnlichst einen Opa wie ihn wünschen. Die vier Kinder, jedes ein Held für sich, werden nie unterschätzt. Nicht die Sichtweise der Erwachsenen, sondern die der Kinder ist für Enquist relevant. Sie sind die Großen in diesem Buch, denn wie sich herausstellen wird, sind Angst und ihre Überwindung nicht vom Alter abhängig. Aber am Ende sind trotzdem alle ein klein wenig erwachsener geworden. Die Nacht mit dem Krokodil, "das war doch im früher", sagt Mina am Schluss. Und, so weiß sie jetzt, vor Wölfen braucht man auch keine Angst zu haben.

Wenn Enquist das Geschehen aus dem Blickwinkel seiner vier kleinen Protagonisten beschreibt, ist das außerdem auch noch hinreißend komisch. Ihre unverstellte Weltsicht verschafft auch den älteren Lesern einen erfrischenden Einblick ins Erwachsenendasein, wie es mit Kinderaugen gesehen wird.

Die pfiffigen Zeichnungen von Leonard Erlbruch, dem 19-jährigen Sohn des bekannten Illustrators Wolf Erlbruch, runden die durchgehend spannende Geschichte (empfohlen für Kinder ab acht Jahren) ab.

"Großvater und die Wölfe" hat Per Olov Enquist als Geschenk und Liebeserklärung an seine genau vier Enkel geschrieben (die übrigens zufällig genauso wie die Helden der Erzählung heißen). Aber glücklicherweise bleibt dieses rührend-komische Werk ja auch keinem anderen Kind vorenthalten.

Titelbild

Per Olov Enquist: Großvater und die Wölfe.
Übersetzt aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt.
Carl Hanser Verlag, München 2003.
116 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3446203451

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