Geschmackswelt

Wolfgang Wieland untersucht die Rolle des Gefühls in Kants Theorie der Urteilskraft

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der erste Teil von Kants "Kritik der Urteilskraft", welcher der ästhetischen Urteilskraft gilt, zielt Wolfgang Wieland zufolge nicht darauf ab, eine philosophische Ästhetik zu begründen. Denn dem Transzendentalphilosophen diene das Geschmacksurteil nur als "Exempel, an dem sich sonst zumeist verborgene Strukturen der Subjektivität unverstellt ablesen lassen". Mit der Beurteilung des Geschmacks erschließe sich der Urteilende nicht nur "ein Stück Welt", sondern werde sich auch seiner selbst in einer Weise bewusst, "in der er sich auf seinesgleichen bezogen weiß". Dass diese Beurteilung "im Modus eines Gefühls" vonstatten gehe, gelte überhaupt für jeden "Prozeß, in dem oder durch den ein bivalentes Urteil zustande kommt".

In einer im Jahre 2001 vorgelegten Abhandlung untersucht der Autor nun den ersten Teil der "Kritik der Urteilskraft" unter der Fragestellung, in welcher Weise dem Menschen sowohl die von der Wissenschaft erforschte Welt als auch seine Lebenswelt "auf originäre, unmittelbare und unvertretbare Weise auch mit Hilfe des Emotionalen erschlossen wird". Hierzu beschränkt er sich nicht nur auf die Lektüre besagter "Kritik der Urteilskraft", sondern zieht neben anderen Publikationen Kants auch einige der unter der Bezeichnung "Reflexionen" bekannt gewordenen Aufzeichnungen des Königsberger Philosophen sowie Mit- und Nachschrift seiner Vorlesungen "zur Ergänzung, zur Erläuterung und zur Konturierung" der in der "Kritik der Urteilskraft" entwickelten Theorie heran.

Wieland entdeckt in Kants Theorie der Urteilskraft ein "emotionale[s] Apriori" und zieht das Fazit, dass eine Emotion beim menschlichen Zugang zur Welt eine "unvertretbare, erschließende Funktion" übernehmen könne, womit sich erweise, "daß die Grenzen des begrifflich fundierten, gegenständlichen Erkennens nicht notwendig zugleich auch die Grenzen sind, jenseits derer sogleich ein für den Menschen gänzlich unzugängliches Gebiet beginnen würde".

Titelbild

Wolfgang Wieland: Urteil und Gefühl. Kants Theorie der Urteilskraft.
Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001.
404 Seiten, 63,40 EUR.
ISBN-10: 3525301367

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