Einmal auf der Welt. Und dann so

Arnold Stadlers Roman "Eines Tages, vielleicht auch nachts"

Von Christian RudolphRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christian Rudolph

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Eines Tages, vielleicht auch nachts" - wieder ein befremdlich anmutender, verträumter und seltsam schöner Titel nach solchen wie "Ein hinreißender Schrotthändler" oder "Der Tod und ich, wir zwei".

In seinem neuen Roman erzählt der bald fünfzigjährige Georg-Büchner-Preisträger Arnold Stadler die Lebens- und Liebesgeschichte Franz Marinellis, einer - typisch Stadler - hoffnungs- und hilflosen Figur voller Sehnsucht, die durchs Leben schlurft auf der Suche nach dem Glück, die immer wieder einschläft, verschläft, die sich am Ende sagen muss: "Ich gehöre zu denen, die ich lieber nicht kennengelernt hätte."

Von Anfang an will Franz verschwinden, den Kopf einziehen wie seine Schildkröte, weg von seiner Heimat Wien, die leider nicht am Meer liegt, von sich selbst und seinen "Erzeugern".

Voll Angst vor dem Leben taumelt er darin herum - als Student, Schlafwagenschaffnergehilfe und Schriftstellerfotograf aus Verlegenheit, der das Glück fotografieren will. Wie "zwischen zwei Betondecken [...] über einer Tankstelle an einer Schnellstraße in einem Seitental" hat er gelebt, als er, vierzigjährig, auf Kuba am Patrice-Lumumba-Strand Ramona trifft, die er heiraten will. Franz wird noch einmal von vorne anfangen. "Piano piano" aber zehrt ihn seine Liebe auf und am Ende liegt tot und vergessen ein Mensch am Strand, der sich selbst abhanden gekommen ist, am Meer vor Havanna, das grau ist wie Husum.

Was den kleinen Roman zu einem besonderen Lesevergnügen macht, sind nicht allein die traumverlorene Geschichte Marinellis und die darin eingeflochtene Kritik am Kuba Fidel Castros, sondern der vielgerühmte 'Stadlerton': die köstlichen Wortspiele und -experimente, die Mischung von tragischen und komischen Elementen, intelligenter Witz und oft bissige Ironie neben Bitterkeit und Schwermut, dazu die unkompliziert komplizierte Sprache.

Die Lektüre der Stadler-Texte verlangt viel Zeit; auch dieser liest sich, trotz seines geringen Umfangs nicht im Handumdrehen. Stadlers tiefgründige Gedankengänge und Anmerkungen werfen elementare Fragen auf und stimmen nachdenklich, lassen den Leser allerdings z. T. auch etwas ratlos, grübelnd zurück. Dennoch, ein amüsant und zugleich traurig- erschütterndes Buch, das sich zu lesen lohnt - eines Tages (vielleicht auch nachts).

Titelbild

Arnold Stadler: Eines Tages, vielleicht auch nachts. Roman.
Jung und Jung Verlag, Salzburg 2003.
160 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-10: 3902144602

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