Und einfach noch mal ficken geht nicht

Sibylle Bergs Sehnsüchte kaputter Typen als Hörspiel

Von Sabine KlomfaßRSS-Newsfeed neuer Artikel von Sabine Klomfaß

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Titel von Sibylle Bergs Roman "Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot", der jetzt als Hörspiel im HörVerlag erschienen ist, könnte treffender nicht sein: Es geht um eine handvoll Menschen, deren Schicksale sich teils tangieren oder auch schlichtweg aneinander vorbeigehen. Was diese Menschen vereint, ist ihr Streben nach Glück, das natürlich für jeden von ihnen etwas völlig anderes ist. Und sie haben noch etwas gemeinsam: Alle werden scheitern.

Es geht darum, endlich allein sein zu dürfen oder, im Gegensatz dazu, jemanden für den Rest des Lebens zu finden. Es geht um Sex und um enttäuschte Erwartungen. Die Realität als solche wird immer wieder thematisiert. Daraus spricht manchmal die Angst und dann wieder die Hoffnung, dass diese verkorksten Leben nicht wirklich sind. Zuweilen ist die Wirklichkeit nur das Bild von einem blauen Himmel oder Venedig. "Die Realität wurde von einem Tapetenhersteller hergestellt." Dann muss man schreien, um denken zu können. Und einige "schließen die Augen, um nicht sehen zu müssen, was für sie Wirklichkeit ist."

Die fiesen und beklemmenden Geschichten Bergs finden in der Hörspielversion von Beate Andres eine Art von Vervollkommnung: Meist ist Musik unterlegt, die wirklich kompetent ausgesucht, bzw. eingespielt wurde (karge Beats, immer wieder eine traurige und einfache Melodie und bittere Töne), und die überhaupt nicht störend wirkt, was bei Hörbüchern doch so oft der Fall ist. Zudem ist die Umsetzung von Schrift in Sprache ausgezeichnet gelungen: Von scheinbar authentischen Alltagssituationen wird durch das formale Spiel mit Wiederholungen, RednerInnen- und Perspektivenwechsel abstrahiert. All das zeugt im Ergebnis vom hohen künstlerischen Niveau der Regisseurin. Die Sprecher (u. a. Sophie Rois und Christian Berkel) inszenieren überzeugend das Warten auf die Erfüllung irrationaler und doch sehr einfacher Wünsche. Nur die Schnodderigkeit von Dagmar Sitte als Nora wirkt etwas affektiert bzw. abgeschmackt.

Ist es nicht zu viel verlangt, dass der Freund einfach mal die richtigen Worte findet, die alles verändern könnten? "Helge, schenk mir einen Satz." Aber die passenden Worte auszusprechen scheint ein fundamentales Problem zu sein: "Was sagen, ohne dass etwas kaputt geht. Und Vera ist mutig, nimmt das Gefühl, das noch ganz dünn ist, aus dem Bauch heraus, wickelt Worte darum, um es anzufassen." Die Worte könnten die eigenen Sehnsüchte entschleiern, sie einmal nur aussprechen zu können, wäre die letzte Chance auf Erfüllung. Aber: "Die Worte bilden Lücken, durch die rutscht das Gefühl und fällt auf den Boden." Die Kommunikation der Berg'schen Figuren scheitert meist doppelt: Zum einen liegt es am unzureichenden Ausdrucksvermögen der Handlungsträger, zum anderen an der Unfähigkeit, sich auf den anderen im Zuhören wirklich einzulassen. Die Gespräche nehmen eine ungewollte Wendung. Zufälle und falsches Verstehen verkehren gute Absichten in ihr Gegenteil. Vielleicht, weil "wir uns nie in Menschen verlieben, sondern in komplizierte Ideen."

"Wir sind alle viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt." Alle haben sie in irgendeiner Form vage Vorstellungen davon, was es für sie heißen würde, glücklich zu sein. Darauf warten sie, obwohl sie selbst kaum daran glauben, dass das Glück sie einmal finden wird. Ihr Leben besteht aus lethargischer Warterei und dann folgen überwiegend tragische Kurzschlussreaktionen in Momenten, in denen sie es nicht mehr aushalten. "Muss ich abwarten, mich sammeln, mich töten." Dann stellen sie ihr Leben auf den Kopf: Die eine verlässt die Familie, der andere das Land. Das Abwarten bedeutet letztlich nur das Verlängern des Leidens: "Ich greife nach dir und unsere Körper tun Sachen, die unsere Köpfe schon lange nicht mehr tun wollen," so die weibliche Perspektive. Und die männliche: "Ich weine nicht, ich gehe einfach nur nach Hause und werde mir diese Frau abduschen."

Die Langeweile ist wie eine Droge und ein eher schlechter Trip, aus dem man allein nicht heraus kommt. "Ich arbeite in einer Firma, die irgendwas macht, was definitiv egal ist, vielleicht existiert die Firma auch gar nicht." Das Warten bedeutet so auch einen zeitlichen Aufschub vor noch größerem Leid. Wir klammern uns an Menschen, weil wir nicht alleine sterben wollen. Die Hoffnung auf eine "große Liebe" wird in dem Sinne relativiert, dass ein anderer Mensch, doch "nur ein anderes Problem" sei. Sehnsüchte werden bei Berg grundsätzlich enttäuscht und das Leben wird immer unerträglicher. Es gibt keinen Ausweg, es bleibt nur der Tod. "Das war mein letzter Versuch, Glück zu finden."

Titelbild

Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. 1 CD.
Der Hörverlag, München 2003.
55 min, 14,95 EUR.
ISBN-10: 3899401573

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