Eine feministische Anarchistin in Spitzenhandschuhen

Zwei literaturwissenschaftliche Monographien zu Elisabeth von Arnim und Hedwig Dohm

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Das Lachen der Thrakerin ist vermutlich nicht bis ans Ohr von Marianne Flassbeck gedrungen. Andernfalls wäre sie wohl kaum der Auffassung, dass die "weiblich konnotierte 'Unvernunft'" des Lachens "von jeher" der "männlich assoziierten Logik" gegenüber als "unterlegen" angesehen wurde. Denn kein geringerer als Platon erzählt in seinem philosophischen Dialog "Theaitetos" die bekannte Anekdote der "artigen und witzigen" Magd aus Thrakien, die in Spottgelächter ausbrach, als Thales - einer der Sieben Weisen, der manchen gar als Begründer der Philosophie gilt -, hocherhobenen Hauptes und den Forscherblick zum gestirnten Himmel gerichtet, den Brunnen zu seinen Füßen nicht sah und hineinstolperte. Offenbar wurde das weiblich konnotierte Lachen der männlich konnotierten Vernunft also durchaus nicht "von jeher" als inferior betrachtet.

Nun ist Flassbeck allerdings keine Philosophiehistorikerin, sondern im Bereich englischer Literaturwissenschaft tätig, und das Buch, das ihre fragwürdige Behauptung enthält, gilt nicht dem griechischen Philosophen Thales, sondern der deutsch-englischen Literatin Elisabeth von Arnim, anhand derer Flassbeck die These "spezifisch weiblicher literarischer 'Äußerungsformen des Lachens'" zur Diskussion stellt und zugleich eine hierzulande weithin kaum bekannte Autorin vorstellt. Dabei zieht sie eine "eher impressionistische Betrachtungsweise" einer "streng analytischen Vorgehensweise" vor und kontrastiert die "dekonstruktivistische Analysemethoden der sogenannten écriture féminine" mit den "diskursanalytischen Ansätzen der Gender Studies". Darüber hinaus berücksichtigt sie Ergebnisse der literaturgeschichtlichen Frauenforschung und des "gynocriticism".

Nicht ganz unbedenklich ist zunächst die der Arbeit zugrundeliegende Annahme einer prinzipiellen "Geschlechterdifferenz des Lachens", scheint hier doch ein gewisser Biologismus - oder Essentialismus, so deutlich wird das nicht - hervor, der dann allerdings, wenn auch nicht zurückgenommen, so doch relativiert wird. Denn Flassbeck geht nicht von einem unveränderlichen "weiblichen Lachen und Schreiben schlechthin" aus, sondern von einer "durchaus wandlungsfähigen, historisch variablen Ausdrucksform", die sich der Autorin zufolge aber dennoch - so muss man zumindest vermuten - stets (und notwendigerweise?) vom 'männlichen' Lachen und Schreiben unterscheidet.

In den von ihr untersuchten Werken Elisabeth von Arnims, einer, wie Flassbeck schreibt, "Vorreiterin des 'Ökofeminismus'" und "Anarchistin in Spitzenhandschuhen", macht die Autorin eine "schillernde Bandbreite von lachender weiblicher 'Unvernunft'" aus, mit der von Arnim die "herrschende Vernunft" aushöhle und boykottiere. So serviere von Arnim in ihrem Erstlingswerk "Elisabeth and Her German Garden" ihre "feministischen Inhalte" dem "in der Geschlechterdebatte äußerst voreingenommenen und gereizten Publikum" in "leichtfüßiger Weise" und mit Hilfe von Gleichnissen, Anspielungen und schlagfertigen Dialogen. In "The Enchanted April", einem Roman um eine Frauenfreundschaft, bediene sie sich hingegen einer "intuitive[n] Komik", die für so manche Überraschung bezüglich der vermeintlich rationalen Steuerbarkeit menschlichen Verhaltens sorge. Die aus dem "Erzählgestus (zornig) lachender Untertreibung" resultierende "makabre Komik" des Romans "Vera" wiederum lasse das "Aufbegehren" gegen eine "kulturelle Geschlechterkonstellation, die Frauen zu Opfern macht", deutlich werden. In einem weiteren Roman, "Love", entstehe die erzählerische Komik dagegen durch eine "kuriose Akrobatik", die sich zwischen "Bejahung der Liebe" und "jener feministischen Entzauberung der Liebe" bewege, die Liebe und Sexualität von Frauen unter "männlich definierten Geschlechterverhältnissen" als "gefährliche Falle" betrachtet. In diesem Werk stelle von Arnim auf ironische Weise die "Verbindlichkeit einer Romantradition" in Frage, die eine 'Liebesgeschichte' obligatorisch in "das Happy End der Ehe" münden lasse.

Zwar ist es begrüßenswert, dass Flassbeck von Arnim nicht nur im englischen Original zitiert, doch zerstören die mitgelieferten Übersetzungen schon mal eine Pointe. So etwa bei der Übertragung folgenden Dialogs: "[Graf:] 'Nobody is naughty unlike they like being naughty; and nobody ever really repents unless they are going to be found out. ' - 'By ,nobody'of course you mean women! ' said Irais. ,Naturally; the terms are synonymous.'" In Flassbecks Übersetzung lautet er: "Kein Mensch ist unanständig, solang er nicht selbst unanständig sein will; und keiner bereut jemals irgendetwas, solange er nicht dabei erwischt wurde.' - 'Mit ,niemand' meinen Sie natürlich die Frauen' - [Graf:] 'Selbstverständlich; die Begriffe bezeichnen ein- und dasselbe.'" Die von Flassbeck zurecht konstatierte "schillernde Doppeldeutigkeit" der "Ausfälligkeiten" des Grafen, die "geradezu lehrbuchhaft Kristevas viele Jahrzehnte später formulierte Theorie der Frau als Leerstelle'" vorwegnimmt, ist in der Übersetzung verloren gegangen.

Zwar beklagt Flassbeck nicht ganz zu Unrecht, dass die "Schreibweisen" Elisabeth von Arnims bislang viel zu wenig untersucht worden seien, doch ist nahezu zeitgleich mit ihrer eigenen Arbeit eine weitere Monographie erschienen, deren Interesse der englischen Autorin gilt. Katrin Komm vergleicht die Darstellungen des Deutschen Kaiserreichs in den Romanen von Armins mit denjenigen Hedwig Dohms. Auch die an der University of Maryland tätige Lektorin für deutsche Sprache, Kultur und Literatur nutzt das wissenschaftliche Instrumentarium feministischer Literatur- und Gender-Theoretikern. Doch anders als Flassbeck greift sie zudem auf den englischsprachigen Diskurs des New Historicism zurück, dessen Methode feministischen Literaturkritikerinnen "zahlreiche Ansätze" zu einer Verwirklichung des von Sara Friedrichsmeyer und Jeanette Clausen formulierten Ziels einer "global perspective in feminist literary criticism" biete. Im Zentrum von Komms Ansatz steht die Kategorientrias Gender, Nation und Moderne, die der Analyse einerseits eine "Form" geben, andererseits jedoch auch "flexibel genug" sind, um sich den historischen Veränderungen anzupassen.

Mit Hilfe dieses Organons will Komm nicht nur das Verständnis für die Geschichte und die Literatur von Frauen in Deutschland um die Jahrhundertwende erweitern und neue Gesichtspunkte des zeitgeschichtlichen Kontextes hervortreten lassen, sondern zudem die "Grenzen der Germanistik" im Sinne einer "Feminisierung" und "Globalisierung" erweitern und "weitreichendere Verbindungen" herstellen. Denn die "zeitgenössische Europapolitik" fordere von der deutschen Literaturwissenschaft ihren Beitrag zur "Erstellung einer europäischen (Literatur-) Geschichte als Basis für eine europäische Identität". Nicht nur der theoretische background von Komms Untersuchung unterscheidet sich von demjenigen Flassbecks, auch ihr Interesse an von Arnims Werken ist ein anderes. Sie richtet ihren Blick nicht auf die feministische Autorin - ja, sie nimmt sie kaum als solche wahr -, sondern auf die Deutschlandkritikerin, die mit ihrer Zeit in Deutschland abrechne und die Briten ermahne, "ihren kontinentalen Nachbarn nicht zu unterschätzen". Sowohl der "Erfahrungshorizont" als auch die "Intention" des Erzählwerks von Arnims seien also andere als diejenigen Dohms, die "eine der radikalsten Stimmen" der "deutschen bürgerlichen Frauenbewegung" sei und zurecht von sich sagen könne, dass alles, was sie schreibt, "im Dienst von Frauen" steht. Darüber hinaus seien die Œuvres beider Autorinnen insofern "asymmetrisch", als Dohm "Eigenbilder" literarisiere, von Arnim hingegen "Fremdbilder".

Vor dem Hintergrund der Romane von Arnims gelesen, enthüllten sich Dohms Werke jedoch als eine "gezielte Kritik an den Praktiken des Deutschen Reiches", "die weit über Probleme der 'Frauenfrage'" hinausgehe, lautet eine der zentralen Thesen Komms. "[A]ls Frau ihres Standes im wilhelminischen Kaiserreich" habe Dohm diese Kritik nur nicht so unverblümt vortragen können, wie es von Arnim als Ausländerin möglich gewesen sei. Daher habe sie ihre Monita in den Subtext ihrer Werke eingeschrieben. Ausgehend von dieser These macht Komm eine Reihe "thematischer Überschneidungen" in den Werken beider Autorinnen aus: "ihre Forderungen nach einer Auflösung der Klassengrenzen, der Befreiung der Frau aus ihrer geistigen, wirtschaftlichen und politischen Unterdrückung und ihre Forderungen nach einer menschlichen Politik und Gesellschaft".

Titelbild

Katrin Komm: Das Kaiserreich in den Zeitromanen von Hedwig Dohm und Elisabeth von Arnim.
Peter Lang Verlag, Bern 2003.
267 Seiten, 47,30 EUR.
ISBN-10: 3039101390

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Titelbild

Marianne Flassbeck: Gauklerin der Literatur. Elisabeth von Arnim und der weibliche Humor.
Verlag Christel Göttert, Rüsselsheim 2003.
286 Seiten, 19,80 EUR.
ISBN-10: 3922499619

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