Mitteleuropäische Heldenepen, lesbar

Reiner Tetzners Neuerzählung der Deutschen Heldensagen

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der "Göttersagen" der Germanen finden sich anderswo: Die "Nibelungen", "Wieland der Schmied" und die Dietrichsagen - darunter die Sage, die dem "Hildebrandslied" zugrunde liegt - hat Reiner Tetzner in diesem Band aus Reclams "Jubiläums-Edition" nacherzählt, und in der Tat sollte das Buch auf keinem Buchregal fehlen - weder in der Abteilung Altgermanistik, um schnell nachzulesen, woraus die ältesten deutschen Sprachdenkmäler geschöpft haben, noch zum Thema Volksepik. Denn Tetzner - und das unterscheidet seine Bearbeitung der Stoffe von den vielen Nacherzählungen der germanischen Sagen, wie sie unter "Für die Jugend" kursieren - berücksichtigt die nordeuropäischen Vorfahren der in Mitteleuropa entstandenen Sagen, sodass Verständnislücken bezüglich Siegfrieds Verhältnis zu Brünhild oder der Vorgeschichte des Nibelungenhorts erst gar nicht aufkommen, setzt man sich mit der verschriftlichten Version der Stoffe auseinander.

Tetzner will ja auch kein jugendliches Publikum erreichen. Zwar gibt es vor dem Nachwort ein nützliches Glossar, worin alle Namen und Realien wie die "Brünne" einfach und (leider) ohne Querverweise und Quellenangaben erklärt werden; dennoch sind Tetzners Germanenepen für Schüler sprachlich zu altertümlich und lesen sich stellenweise nicht anders als die Reclam-Prosaübersetzung von de Boors Nibelungenlied, wie es Studenten benutzen.

Jedoch wird sich jeder Lehrende freuen, dass er nun das "Hildebrandslied" im Unterricht bringen kann, wo Tetzners Nacherzählung davon - und zwar die Variante mit dem Happy End - vorliegt.

Titelbild

Reiner Tetzner: Germanische Heldensagen. Nach den Quellen neu erzählt.
Reclam Verlag, Stuttgart 2003.
360 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 3150105323

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