So lebt ein Arschloch

Michael Stauffers neuer Roman "Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt"

Von Johanna SchachtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Johanna Schacht

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dermaßen splitterhaft zeigt uns Michael Stauffer in seinem neuen Roman die wahnsinnigen Leiden einer namenlosen Ich-Erzählerin, dass die Handlung vergleichbar zu sein scheint mit der einstigen Liebe der Protagonistin, die in Scherben vor ihr liegt.

Die fragmentarische Erzählhaltung lässt den Leser das Thema gerade einmal erahnen. Es ist irgendwo zwischen Liebe und Hass angesiedelt, mit etwas Interpretationswillen kann man sagen, dass Stauffer aufzeigt, was geschieht, wenn "Mann" sich dem traditionellen Ideal, eines Tages sagen zu können "Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt", nicht stellen will und sich folglich auch von der Verpflichtung seiner Frau gegenüber entbunden sieht. Der so dargestellte Mann ist im Roman nur durch das Personalpronomen "Du" im inneren Monolog seiner Frau präsent, die zerrissen zwischen Verletzung, Hass, Eifersucht und Selbstmitleid zurückbleibt: "Du hast immer gehofft, dass dein Leben nicht so würde wie alle anderen Leben. Dein Wunsch nach dem besonderen Leben ist einfach lächerlich und etwas einfältig. Wenn du nach Hause kommst, bist du immer noch niedergeschlagen." Die Tatsache, dass dieser Roman, der die weibliche Gedankenwelt wiedergibt, der Feder eines männlichen Autors entsprungen ist, könnte erklären, warum er sich passagenweise wie die Offenbarung sexueller Männerphantasien liest, zum Beispiel, wenn die Verlassene sich gleich ihren Freundinnen Handwerker zum kurzen Schäferstündchen ins Haus bestellt, "die nicht abgeneigt sind, statt etwas zu reparieren uns schnell und zielstrebig im Bett zu befriedigen und danach eine Rechnung zu schreiben".

Jedes der 36 kurzen Kapitel gibt einen Eindruck in das Gefühlsleben der Gekränkten auf ihrem Leidensweg, ohne dass das Geschehen in eine kohärente Handlung eingebettet wird. So erfährt der Leser von einem Urlaub, von der Trennung, einer Ausbildung zur Fahrlehrerin, einer erfolglosen Therapie und dem Tod der Mutter, ohne dass diese Handlungselemente in einen eindeutigen Sinn-oder temporalen Zusammenhang gebracht werden. Mit der Folge, dass es dem Leser nicht leicht wird, den Text an irgendeiner Stelle zu packen und die Stückchen, die ihm zugeworfen werden, zu einem einheitlichen Ganzen zusammenzufügen - zumal sich die Romanfigur zusätzlich noch in Widersprüche verstrickt, wenn sie beispielsweise über eine vermeintliche Schwangerschaft berichtet: "Schließlich folgte die banale Erkenntnis, es ist kein Kind, es ist eine Zyste", und es einige Sätze weiter wiederum lautet: "Ich wollte jemanden, der mir den Bauch pustet. Und ich wollte jemanden für mein Kind".

Doch einen Mangel an Stimmigkeit kann man dem Buch deswegen nicht unbedingt vorwerfen, denn bekanntlich verhält sich die menschliche Psyche ja eher selten rational. Die Elemente Haus, Baum und Kind tauchen immer wieder auf. Wie beim Beispiel der Schwangerschaft jedoch auch, werden sie als Obsessionen einer verbitterten Frau instrumentiert, die resümiert: "Zusammen ein Haus kaufen. Ja. Mir helfen bei der Hausarbeit. Ja. Die Kinder miterziehen helfen, alles teilen, Haustiere akzeptieren. Die Geschwindigkeit mit der du diese Versprechungen gemacht hast, hat mich verunsichert. Ja, ja, ja, ja. Aber ich habe alles geglaubt. Natürlich ist alles nicht eingetroffen."

Schon das erste Buch des Schweizer Autors "I promise when the sun comes up I promise I'll be true" ist durch eine beinahe kunstlos wirkende Sprache geprägt. Da diese keine ordnende oder erklärende Funktion übernimmt, kommt der Text einem nicht nur unschlüssig vor, er lässt einen auch so zurück.

Titelbild

Michael Stauffer: Haus gebaut, Kind gezeugt, Baum gepflanzt. So lebt ein Arschloch. Du bist ein Arschloch.
Urs Engeler Editor, Weil am Rhein 2003.
64 Seiten, 14,50 EUR.
ISBN-10: 3905591669

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