Ein amerikanisches Märchen mit Starbesetzung

"Der Zauberer von Oz" ist nach wie vor ein lesenswerter Klassiker

Von Hannelore PiehlerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Hannelore Piehler

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer hat als Kind nicht gesehen, wie sich Judy Garland in ihren roten Schuhen auf die Suche nach dem Zauberer von Oz macht? Naiv und unbefangen hüpft sie auf einem knallgelben Weg aus Ziegelsteinen entlang, begleitet von einer dummen Vogelscheuche, einem feigen Löwen und einem gefühllosen Blech-Holzfäller und insgeheim befeindet von der bösen West-Hexe, die ihr die roten Schuhe abnehmen will. "Der Zauberer von Oz" ist das bekannteste amerikanische Märchen. Bekannt vor allem durch die Verfilmung aus dem Jahre 1939, heute ein Klassiker. Die Buchvorlage jedoch hat kaum jemand gelesen, der Autor Lyman Frank Baum ist nur wenigen ein Begriff. Nun hat der Cecilie Dressler Verlag in seiner Reihe der schönsten Kinderbücher wieder für eine Neuausgabe gesorgt.

Und die ist nicht nur preislich günstig, sondern auch schön gemacht. Natürlich sind die Originalzeichnungen von W. W. Denslow längst legendär (und für alle die es interessiert: Sie sind in der Fremdsprachentext-Ausgabe von Reclams "The Wonderful Wizard of Oz" mit abgedruckt). Illustratorin Heike Vogel macht deshalb das einzig Richtige: Sie schert sich nicht um die berühmte Vorlage und liefert selbst liebenswert-knufflige Figuren. Vor allem ihr Löwe sieht aus wie aus dem Steiff-Warenlager. Ohne Ecken und Kanten zwar, aber mit Wiedererkennungswert.

Und die Geschichte um das Mädchen Dorothy, das zusammen mit seinem Hund Toto von einem Wirbelsturm aus dem grauen Kansas in das wundersame Land Oz geweht wird, ist nach wie vor lesenswert. Die Themen sind universal, mit hohem Identifikationswert: Dorothys Sehnsucht nach ihrem Zuhause, die Wünsche ihrer Freunde nach Herz, Mut und Hirn, die Hilfsbereitschaft und der Teamgeist der vier Gefährten auf ihrer Reise. Dass der Zauberer von Oz sich am Ende als Betrüger herausstellt und dennoch die Wünsche von Vogelscheuche, Löwe und Blechmann erfüllt, ist dabei nicht nur komisch, sondern auch L. Frank Baums Kritik an "Americans' strange attraction to humbugs", wie Michael Riley betont.

Versuche, aus dem Buch mehr herauszulesen als eine Fantasy-Geschichte für Kinder jeden Alters gibt es denn auch mehr als genug. Die Vergleiche der Interpreten reichen von Tolkien bis Sherlock Holmes. L. Frank Baum selbst schrieb bis zu seinem Tod 1919 ganze 14 Oz-Bücher, außerdem erschien eine Serie von 27 Zeitungsgeschichten zu Oz-Charakteren, und auch andere Autoren führten die Geschichten um das Land Oz weiter. Nur wenige dieser Titel sind jedoch als Übersetzungen in Deutschland erhältlich. Schade eigentlich, so beschränkt sich der Oz-Kosmos hierzulande weitgehend auf den Erstling der Reihe. Bleibt zu hoffen, dass wenigstens dieser stärkere Verbreitung findet.

Titelbild

L. Frank Baum: Der Zauberer von Oz. Illustrationen von Heike Vogel.
Übersetzt aus dem Englischen von Sybil Gräfin Schönfeldt.
Dressler Verlag, Hamburg 2003.
192 Seiten, 7,50 EUR.
ISBN-10: 3791535986

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