Die gelungene Jagd nach der Form

Georg Klein fordert den Leser - und belohnt ihn reichlich

Von Cordula Natusch bei KrombassRSS-Newsfeed neuer Artikel von Cordula Natusch bei Krombass

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Natürlich kann man den Erstling von Georg Klein als Agentenroman lesen. Schließlich ist Spaik, der Protagonist, Spion in bundesdeutschen Diensten, lebt als Informant in der geheimnisvoll-orientalischen Stadt Libidissi und wartet - zu Recht Übles befürchtend - auf seinen Nachfolger. Schon längst ist Spaiks einst legendäre Effizienz einer bedenklichen Unzuverlässigkeit gewichen, haben seine Berichte in die wißbegierige Heimat statt der amtlich geforderten Kürze episch-romanhafte Ausmaße angenommen, in denen die wesentlichen Fakten zu versinken drohen. Sein Nachfolger - tatsächlich schickt das "Bundeszentralamt" ein bizarres, verliebtes Pärchen - soll ihn deshalb nicht nur ersetzen, sondern sicherheitshalber eliminieren. Eine Jagd durch das Labyrinth der Stadt beginnt, durch die Clubs und halbseidenen Bars, bis in das für Ausländer verbotene Altstadtviertel Goto.

Zugegeben: als Thriller ist "Libidissi" trotz der farbenprächtigen, halb verfallenen Kulisse der fiktiven Stadt ein bißchen zu dünn geraten. Dazu hätte ihm mehr Aktion gutgetan und weniger Beschreibungen des modrigen Gestanks, der in den Straßen herrscht, weniger Schilderung der religiösen und politischen Konflikte zwischen den Volksgruppen und ihrer Geschichte. Allerdings nur unter dieser Prämisse. Denn man verpaßt die besten Aspekte des Buches, wenn man es als reinen Agentenroman liest. Es ist nicht so sehr die Handlung, die den Leser fesselt, sondern die Art ihrer Darstellung. Klein wählt eine mehrfach gebrochene Perspektive, kombiniert beispielsweise in seinem Protagonisten Ich- und Er-Erzähler. Das narzißtische Agentenpaar spiegelt sich in dem jeweils anderen in den seltenen Du- und Wirformen: "Aber aus diesem Hauchen und Zischeln hören du und ich auf eine spröde, uns anrührende Weise das Vertraute heraus. Unsere Blicke kreuzen sich. Ohne Zweifel denken wir dasselbe." Atemlos folgt der Leser den Figuren durch die engen Straßen der uralten Hafenstadt, lauscht dem Schreien der Verkäufer und den einheimischen Sängern in den Bars, notiert wie Spaik die beunruhigenden Zeichen einer kommenden Revolution und einer aufziehenden Epidemie - nie wissend, was als nächstes kommt, aber immer fasziniert! Virtuos und spielend-leicht wechselt Klein die Perspektiven, erzählt dieselben Vorgänge mehrfach und doch immer ganz anders: Erkenntnis verändert den Blick und der wiederum die Erkenntnis.

Titelbild

Georg Klein: Libidissi. Roman.
Wissenschaftlicher Verlag Berlin, Berlin 1999.
199 Seiten, 17,40 EUR.
ISBN-10: 3828600727

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