Deutscher Fleiß am Waterberg

Kolonialisten und Hereros in "Deutsch-Südwest" aus der Perspektive Else Sonnenbergs

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Der Schrei der Hyänen" heißt der Roman von Andrea Paluch und Robert Habeck über mehrere Generationen von Frauen, deren Schicksal mit der unrühmlichen Besiedlung des heutigen Namibia durch deutsche Kolonisten verquickt ist. Solche Schicksale kann man sich im deutschen Altersheim in Windhuk erzählen lassen, oder von jemandem wie Else Sonnenberg, die 1905, während die Hereros von General Trotha auf den Todesmarsch in die Omaheke-Wüste getrieben wurden, schon wieder daheim in ihrem Dorf bei Braunschweig saß, wo sie ihr Jahr in Afrika niederschrieb.

Aus dem Braunschweigischen stammte ein Gutteil jener, die nach Erwerb einer beschiffbaren Bucht durch den deutschen General Lüderitz der Verheißung eines riesigen, unberührten Landes folgten, das eine Goldgrube für Rinderzüchter und - mit deutschem Fleiß - begrünbar sei. Die ansässigen Stämme zu missionieren bemühten sich Leute wie das Pastorenpaar, das Else Sonnenberg mit Bewunderung beschreibt. Die Kaufmannstochter hatte sich in ihrem Dorf seit vier Jahren auf ein Leben in Afrika vorbereitet. Ihr Bräutigam ging als Erster und holte Else nach, sobald das Geld für eine Rinderfarm zusammen gespart war.

Das Zusammenleben zwischen Weißen und schwarzen Afrikanern hätte durchaus friedlich bleiben können. Doch Geschäftsleute nutzten die Unbekümmertheit aus, mit der die Eingeborenen, deren Kultur Vertragsabschlüsse, preußischen Pflichtgehorsam und Schuldscheine nicht beinhaltete, Waren gegen Vieh und - nach einer katastrophalen Rinderseuche - Weidegründe tauschten. Als die Besitzer der Stores ihre Schuld einforderten und den Schwarzen dazu mit mittlerweile eingerichteten deutschen Militärstationen Angst machen konnten, schlugen die Hereros über Nacht los. In wenigen Tagen wurden hunderte deutscher Farmer im Schlaf ermordet oder verfolgt und zu Tode geknüppelt, unter ihnen der Mann Else Sonnenbergs, der von seinem Diener erschlagen wurde. Es existiert eine schriftliche Aufzeichnung des Herero-Anführers Samuel Maherere, bei dieser Aktion Frauen, Kinder und Missionare zu schonen. Weniger zimperlich verfuhren die Deutschen, vor allem, als nach zähen Verhandlungen zwischen den Herero-Führern und dem gemäßigten deutschen Kommandateur Leuthwein Letzterer über Nacht abberufen und durch den für seine Rücksichtslosigkeit bekannten General Trotha ersetzt worden war: Dieser befahl den Genozid an den Herero. Auf Grund anderer nachweislicher Fälle von Sadismus gegen Gefangene wurde Trotha später aus dem Dienst gezogen. 1915 musste Deutsch-Südwestafrika offiziell zurückgegeben werden. Diese Hintergründe erfährt man aus dem Ergänzungsband von Otto Pfingsten, der Sonnenbergs Tagebuch neu aufgelegt und um Fotografien und Recherchen ergänzt hat.

Else Sonnenbergs Aufzeichnungen zeugen von dem frisch beherzten Mut, den Unternehmungen wie ihr gescheiterter Versuch brauchten, um in der südwestafrikanischen Wüste eine Farm und Familie zu gründen. Wenngleich in den Grenzen und der Terminologie ihrer Zeit verhaftet, beschreibt Sonnenberg die Herero, die sie kennengelernt hat, nicht pauschal als "Wilde", sondern jeden Menschen nach seinem Charakter. So mag das kleine Buch einen authentischen Einblick in das Unheil geben, das vor hundert Jahren im heutigen Namibia angerichtet wurde.

Titelbild

Otto Pfingsten: Das Schicksal der Else Sonnenberg im Herero-Aufstand. Das Geschehen 1904 in Deutsch-Südwestafrika.
Verlag Uwe Krebs, Wendeburg 2004.
62 Seiten, 10,00 EUR.
ISBN-10: 393203029X

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch

Titelbild

Else Sonnenberg: Wie es am Waterberg zuging. Ein Originalbericht von 1904 zur Geschichte des Herero-Aufstandes in Deutsch-Südwestafrika.
Verlag Uwe Krebs, Wendeburg 2004.
122 Seiten, 15,00 EUR.
ISBN-10: 3932030281

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch