Ist der Ruf erst ruiniert … quatscht man völlig ungeniert!

Warum wir eine neue Medienethik brauchen

Von Ulf D. PoséRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ulf D. Posé

Fangen wir mal ganz von vorne an. Unter Öffentlichkeitsarbeit versteht man ein Instrument, den Unternehmenserfolg durch Äußerungen zu fördern. Sie dient den gesamtunternehmerischen Interessen. Öffentlichkeitsarbeit will Vertrauen und Sympathie aufbauen und erhalten. Es geht darum, ein noch besseres Image aufzubauen und zu erhalten. Was man wiederum nicht mit Werbung verwechseln sollte. Werbung dient absatzpolitischen Interessen. Es geht darum, Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen, höhere Marktanteile und/oder Erträge zu erzielen. Schon hier zeigt sich, dass Öffentlichkeitsarbeit häufig missbraucht wird, um Werbung zu betreiben. Das Problem dabei: Wer unter falscher Flagge segelt, sollte sich nicht wundern, wenn er unglaubwürdig wirkt.

Sinn effizienter Öffentlichkeitsarbeit kann es nur sein, das Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewinnen und durch gezielte Aktionen auf Dauer zu erhalten. Denn Öffentlichkeitsarbeit pflegt die Beziehungen des Unternehmens zur Öffentlichkeit. Hierfür unabdingbar notwendig ist das Wissen über den glaubwürdigen, authentischen Umgang mit Medien.

Die Mehrzahl der Unternehmer hat ein negatives Bild von den Medien. Einerseits liegt es daran, dass Unternehmer Öffentlichkeitsarbeit mit Werbung verwechseln. Zum zweiten, dass Unternehmer meinen, Journalisten seien unternehmerfeindlich. Häufiger Grund für dieses Misstrauen ist, und hier wird es spannend, dass Unternehmer Informationen an Journalisten weitergeben, die diese nicht verwenden können.

Und so kommt es bei nicht wenigen Unternehmern zu einer Handlungsweise, die geprägt ist von der Überzeichnung der guten Taten, die man vollbracht hat, oder es kommt zu einer Verniedlichung der eigenen Untaten. Die Unredlichkeit des Unternehmers verführt den Manager dazu, das bekannt zu geben, von dem er glaubt, es käme besonders gut an. Dieser Populismus indes schadet ihm. Das lässt sich die "Öffentlichkeit" nicht gefallen. Sie durchschaut die Absicht und ist empört.

Schon das Allensbach-Institut belegte mit vielen Quellen und recht detaillierten Beschreibungen, dass der Unternehmer einem "Konformitätsdruck der öffentlichen Meinung" folgt, obgleich das tatsächliche Wissen ein anderes sein kann. Nölle-Neumann wies nach, dass zirka 60 bis 80 Prozent selbst der mitteleuropäischen Bevölkerung auch dann offensichtlich falsche Meinungen vertreten, wenn nur "die Mehrheit so denkt". Hintergrund: Offensichtlich gibt der Einzelne aus sozialer Isolationsangst das eigene Denken auf und richtet sich relativ zuverlässig nach der Mehrheitsmeinung aus. Das ist ein Mechanismus, der zwar eine enorme soziale Integrationsleistung des Unternehmers darstellt, er macht jedoch alle Ideale der Redlichkeit eines Unternehmers zunichte und raubt ihm damit jede Glaubwürdigkeit.

Unternehmer haben es nicht leicht. Gerade bei Fehlverhalten steht mehr als ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Da nutzt oft die beste Absicht nichts, etwas wieder geradezubiegen oder sich zu erklären. Der redliche Unternehmer sollte vorher wissen, wie Medien funktionieren, sonst hat er kaum eine Chance. Nach allem, was man über die Bedeutung von Medien weiß, haben diese die selbst gewählte Funktion des Prangers der Neuzeit. Im Mittelalter wurde man noch auf dem Marktplatz am Pranger ausgestellt, heute wird derjenige, der sich fehlverhält, gefilmt, fotografiert, herabgewürdigt, beschimpft, verurteilt, bevor seine Schuld überhaupt festgestellt wurde.

Vorverurteilung findet in den Medien täglich statt. Die Medien kennen kein "in dubio pro reo". Die Moral der Medien reduziert sich auf Stigmatisieren. Journalisten können, ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, durchaus nach eigenem Gutdünken etwas pointiert darstellen oder Wichtiges verschweigen. Für die daraus entstehende Volksmeinung fühlen sie sich nicht verantwortlich. Sie behaupten, des Volkes Meinung nur wiedergegeben, nicht erzeugt zu haben. Zeitungen, Radio und Fernsehen scheinen nach dem altrömischem Grundsatz "panem et circenses" zu gehorchen. Sie bieten oft die gleiche Art der Unterhaltung wie öffentliche Hinrichtungen.

Ein beträchtlicher Teil dessen, was wir Nachrichten nennen, sind nichts anderes als Berichte über Fehlverhalten und seine Folgen. Es ist höchst interessant, dass Verbrechen und abweichende Verhaltensweisen so viel Aufmerksamkeit erregen. Weshalb man durchaus nachvollziehen kann, wenn ein Manager zu verhindern versucht, öffentlich zur Schau gestellt zu werden. Wenn es den Medien passt, dann werden sogar Meldungen bar jeglichen Wahrheitsgehaltes erfunden. Dafür gibt es viele Beispiele. Die "Bild" hat vor Jahren zum Beispiel auf ihrer ersten Seite berichtet, dass Karl Lagerfeld mit den Worten: "Entfernen Sie den Krüppel", einen Passagier aus der ersten Klasse entfernt haben wollte. Dies sollte auf einem Flug nach München geschehen ein. Nachweislich hatte Karl Lagerfeld diesen Flug gar nicht gebucht. Er war überhaupt nicht an Bord. Die Meldung war erfunden worden.

Umgekehrt gilt: Was RTL oder "Bild" nicht veröffentlichen, existiert nicht. Das Interessante daran ist, dass die Selbstzensur der Presse sehr stark von dem lebt, was sie nicht berichtet. Die Medien und ihre Journalisten sind "gatekeeper", also Menschen, die darüber befinden, was der Öffentlichkeit vorenthalten oder ihr bekannt gegeben wird. Da dies alle tun und eine unbewusste Gleichschaltung zwischen Journalisten existiert, entsteht beim Leser eine Bestätigung: "Wenn es alle schreiben, muss es stimmen." Als Beispiel für die Nicht-Berichterstattung können Sie einmal prüfen, ob "Stern", "Spiegel" oder "Bild", "Süddeutsche" oder die "ZEIT" es in den letzten Jahren gewagt haben, unsere Demokratie ernsthaft in Frage zu stellen.

Roger Willemsen hält offensichtlich recht wenig von der ethischen Ausrichtung der Medien. Er meint: "Das Fernsehen hat ein einziges Interesse, die Quote. Die Menschenwürde ist nachgeordnet." Für Willemsen sind Menschen für die Medien nichts anderes als ein Markenartikel. Er entschuldigt aber leider auch, wie viele andere, die Medien damit, dass deren Bigotterie nichts anderes sei als die Bigotterie des Publikums, und somit nur das Resultat der Bigotterie des Publikums. Auch Willemsen begeht den Denkfehler, den Grund für die Unredlichkeit der Medien beim Publikum anzusiedeln.

Willemsen verlangt allerdings von den Medien, dass sie mit Sachverstand und eben nicht nur mit gutem Willen an ihre Berichterstattung herangehen. Daran scheint es jedoch zu mangeln. Nicht wenigen Journalisten reicht ihr guter Wille oder ihre Empörung. In der Sache machen sie sich nicht kundig. So verkennen sie, dass das Elend in der Welt unter anderem eine leider unsägliche schlimme Mischung von gutem Willen und Inkompetenz ist.

Den Medien fällt also eine ungeheure Macht zu. Die Frage ist nun: Sind sie sich dieser Macht bewusst und gehen sie damit verantwortungsvoll um? Es sind Zweifel anzumelden, denn Journalisten behaupten zumeist, sie hätten keine Macht, und sie behaupten, ihre Berichterstattung würde erst nach einem Ereignis stattfinden. Wird über Volkes Meinung geschrieben, dann sei die Volksmeinung bereits vorhanden.

Dazu sollte man zwei Fakten kennen. Erstens: Bei Umfragen, in denen danach gefragt wird, wer denn zu viel Macht im Lande besäße, liegen die Medien immer ganz vorn. Die meisten Bürger vermuten Missbrauch durch die Medien, lassen sich aber dennoch stark beeinflussen. Daneben gibt es zweitens den "agenda setting effect". Man hat diesbezüglich zeitlich verglichen zwischen Themen, die als Schwerpunkte in den Massenmedien auftauchen, tatsächlichen Entwicklungen, die sich auch in nachprüfbaren Statistiken widerspiegeln, und Ansichten der Bevölkerung. Etwa über besonders vordringliche Aufgaben der Politik. Hier zeigte sich sehr deutlich, dass in der Regel die Massenmedien einen zeitlichen Vorsprung hatten. Die Medien haben diese Themen der Öffentlichkeit aufgedrückt, wollen dies jedoch nicht wahrhaben. Hält dieser Zustand weiterhin an, dann ist es mit dem ethischen Bewusstsein der Medien nicht weit her. Gelingt es den Medien, sich ihrer Verantwortung bewusst zu werden, dann hat Medienethik eine realistische Chance.

Welche Chancen hat nun der Unternehmer im Umgang mit den Medien? Er wird nur dann dem unredlichen Populismus entgehen können, wenn er versucht zu handeln, und nicht nur sich verhält. Der Unterschied zwischen Handeln und Verhalten ist leicht zu verdeutlichen. Wenn wir von Handeln sprechen, dann sollten fünf Prinzipien erfüllt sein. Diese fünf Prinzipien unterscheiden Handeln von Verhalten:

Verantwortung: Die Übernahme der Konsequenzen in den überschaubaren Folgen des Handelns.
Kontingenzprinzip/Alternativprinzip: Ich kann auch anders handeln.
Finalitätsprinzip: Das Handeln hat ein Ziel.
Effizienzprinzip: Es muss etwas verändert werden, es muss ein Ergebnis geben.
Responsibilitätsprinzip: Ich muss es begründen können.

Damit stellt sich die Frage nach der Verantwortung. Als die Niedersachsen- und die Hessenwahl für die SPD in einem Fiasko endete, stellte sich unser Bundeskanzler vor die Mikrophone und Kameras der Medien und sagte: "Ich übernehme die volle Verantwortung!" Schön gesagt. Nur kam offensichtlich keiner der anwesenden Journalisten auf die Idee, unseren Kanzler zu fragen: "Herr Bundeskanzler, worin drückt sich denn nun ihre Verantwortung aus?" Bei einem glaubwürdigen und redlichen Manager wäre die Übernahme der Verantwortung immer dann gegeben, wenn er für die überschaubaren Konsequenzen seines Handelns geradesteht. Gibt es in der Verantwortung kein Handeln, dann handelt es sich bei dem Satz: "Ich übernehme die volle Verantwortung" ausschließlich um Verbalakrobatik, sonst nichts!

Hilmar Kopper hat mit seinem berühmten Satz: "Das sind Peanuts." Ähnliches angerichtet. Sicher hatte er von der Sache her Recht. Das Gesamtkreditvolumen der Deutschen Bank war zu diesem Zeitpunkt so groß, dass der an Schneider ausgeliehene Betrag verschwindend gering war. Nur hat ihm die Öffentlichkeit das Wort "Peanuts" erheblich krumm genommen. Das hätte Kopper wissen müssen. Auch Ackermann, ebenfalls von der Deutschen Bank, war anscheinend nicht gut beraten, als er sein Victory-Zeichen mit dem Victory-Zeichen von Michael Jackson entschuldigen wollte. Das war mehr als peinlich. Der "Stern" rächte sich mit einem Foto davon auf seiner Titelseite. Vorgeworfen wurden Ackermann und Politikern eine Arroganz der Macht. Wahrscheinlich hat sich kein Leser gefragt, worin denn nun diese Arroganz begründet ist. Wer will schon wissen, dass Arroganz die Eigenschaft ist, sich als etwas Besseres zu fühlen, ohne einen Beweis dafür antreten zu können. Es wäre redlicher und sicher besser gewesen, wenn Ackermann deutlich gemacht hätte, dass das Victory-Zeichen eher im Sinne eines "Ich bin nicht zu Recht so angeklagt, ich will mich dem Vorwurf stellen, und ich bin zuversichtlich" erklärt hätte. Beide, Kopper und Ackermann, hätten sich fragen müssen, ob sie bereit sind, für die überschaubaren Folgen solch ungeschickter Äußerungen die Verantwortung übernehmen zu wollen. Vielleicht hätten sie sich ganz anders verhalten, ja verhalten müssen.

Verantwortung kommt von antworten. Die Frage ist, wem muss man antworten? Was ist also die Verantwortungsinstanz?

1. Verantwortung vor mir selbst:
Wenn ich Verantwortung vor mir selbst wahrnehmen möchte, dann muss ich schauen, wie ich mit anderen Menschen umgehe, welche Interaktionsformen ich anbiete und wie ich mit Interaktionsangeboten umgehe. Man kann sich seiner Selbstverantwortung also nicht nähern durch Nachdenken, sondern durch Analyse seiner Interaktionen mit anderen Menschen. In einer anschlussfähigen Kommunikation, die lange genug gedauert hat, kann ich in einer Analyse in etwa dem nahe kommen, der ich bin.
2. Die Verantwortung gegenüber einem oder mehreren definierten Menschen. Damit ist die Verantwortung im Umgang mit der Öffentlichkeit gemeint.
Verantwortung klärt damit die Zulässigkeit des Handelns. Aus den Werten eines Menschen kommen Fragen und aus den Handlungen eines Menschen kommen Antworten. Somit ist Verantwortung also eine Antwort.

Wenn wir von Verantwortung sprechen, was genau können/müssen wir verantworten? Hier ist zu definieren, wann können wir von Verantwortung sprechen. Verantwortung geschieht, wie wir gesehen haben, sicher durch Dritte, indem wir zur Verantwortung gezogen werden. Zum Beispiel die Verantwortung vor dem Gesetz, die Verantwortung vor dem Unternehmen, die Verantwortung vor dem Mitarbeiter, die Verantwortung vor dem Kunden. Ich meine hier mehr die Verantwortung vor sich selbst. Ich muss mich also fragen, zu welcher Verantwortung bin ich bereit im Umgang mit der Öffentlichkeit?

Ich kann verantworten:
1. Das Ergebnis des Handelns.
2. Die Intention des Handelns.
3. Das Handeln selbst, meine Vorgehensweise.

Die Frage nach der Sittlichkeit wird heute leider viel zu selten gestellt. Das ist jedoch Aufgabe des Managers. Er kann nun feststellen, ob seine Handlung wirklich verantwortet ist. Sie ist sicher verantwortet, wenn sie Menschen hilft, sich in ihren Möglichkeiten zu entfalten, und sie nicht an der Entfaltung hindert.

Damit kann ich Handeln von Verhalten unterscheiden. Dem Verhalten fehlt die Verantwortungsbereitschaft. Wenn von Handeln gesprochen wird, dann besteht für den Handelnden also immer die Wahlmöglichkeit, das heißt, er hätte sich auch anders entscheiden können. Der handelnde Mensch kann seine Handlungen verantworten und anderen verständlich machen. Handlung unterscheidet sich von Verhalten auch dadurch, dass negative Folgen des Handelns bedacht werden, und falls sie in Kauf genommen werden müssen, in einer verantworteten Güterabwägung gegen die Handlung abgewogen werden.

Somit ist ein besonderer Umgang mit den Medien gefordert. Er sollte geprägt sein von der Bereitschaft zu handeln und damit zu verantworten. Dazu ist das sittliche Gewissen gefordert, denn üblicherweise wird die Verantwortung auf die Gewissensverantwortung bezogen. Das Gewissen ist die unmittelbar der Handlung vorausgehende Beurteilung über die sittliche Qualität der Handlung.

Das moralische Gewissen hat nichts mit Gewissen zu tun. Man muss zwischen Schuldgefühl und objektiver Schuld unterscheiden. Schuldig werden wir nur, wenn wir entweder unser Gewissen nicht ausgebildet haben, das uns zureichende Möglichkeiten an die Hand gibt zu entscheiden, ob etwas sittlich gut oder schlecht ist. Oder wenn wir uns für das sittlich Schlechte entscheiden.

Da wir uns nicht vor jeder Handlung diese Frage stellen können, gibt es für bestimmte Handlungstypen Regeln. Das sind die Tugenden. Tugenden sind eine Institution, die es uns erspart, vor jeder Handlung neu die Frage nach der sittlichen Qualität der Handlung stellen zu müssen. Tugend ist definiert als habitus operativus bonus. Eine auf Handlungen eingerichtete Grundeinstellung zum sittlich Guten hin.

Sie ersetzt den Gewissensentscheid, da ein habitus dahinter steckt, kein actus. Es ersetzt bei vielen Handlungen die Mühsal des jeweiligen Beurteilens über die ethische Qualität. Das Gegenteil ist das Laster. Es gibt Mängel, das Gewissen auszubilden: Zum einen ist das die Gesinnungsethik. Dem Manager reicht die gute Absicht. Zum anderen ist das die Ergebnisethik. Die Absichten waren ziemlich mies, nur ist leider das Ergebnis ein sehr gutes.

Daraus folgt für den sittlich motivierten Manager: Das Subjekt der Sittlichkeit kann nicht der gute Wille und auch nicht das gute Ergebnis sein. Das Subjekt der Sittlichkeit ist die Handlung. Für einen ethisch motivierten Umgang mit den Medien ist es somit wichtig, ob mein Handeln sittlich ist.

Die Frage nach der Sittlichkeit wird im Umgang mit den Medien leider selten gestellt. Das wird an die Ethik delegiert. Dabei kann ein Manager durchaus selbst feststellen, ob seine Handlung wirklich sittlich verantwortet ist.

Die Sittlichkeit ist der Faktor, der im Umgang mit den Medien zum Beispiel berücksichtigt, dass auch unabhängig von meinen persönlichen Interessen die Begegnung mit der Realität der Medien eine Rolle spielt. Fehlt Sittlichkeit, dann begreife ich alles, was nicht meinen Interessen dient, als Störgröße. Damit werden Medien eher prinzipiell abgelehnt.

Sittlichkeit kennt nicht die Störgröße, sondern das Interesse am Anders-Sein der Medien. Damit wird der Umgang mit den Medien leichter. Sittlichkeit will also die Nähe zur Realität, während Nicht-Sittlichkeit in der realen Welt nur die Bestätigung der eigenen Konstrukte sucht, und damit kein Interesse an der Realität, kein Interesse an Medien besitzt. So werden die Medien zum Feind.

Der Unterschied ist auch, dass der unsittliche Manager in den Medien nur nach Bestätigung sucht, während der sittliche Manager das Anders-Sein der Medien respektiert. Damit ist Sittlichkeit notwendig als Anpassungskorrektiv an Realität.

Die Unsittlichkeit kennt drei Formen:

Ignorantia simplex: Der Manager hat sich nie darum bemüht, das Sittliche zu erkennen. So darf er sich nicht wundern, wenn die Medien über seine Unsittlichkeit berichten. Er wundert sich jedoch sehr, da er aufgrund seiner Unkenntnis die Vorwürfe der Medien nicht versteht.
Ignorantia crassa et surpina: Der Vorsatz, unsittlich zu handeln. Hier hat der Manager wahrscheinlich nur noch ein Motiv: Wie kann ich meine Unsittlichkeit vor der Öffentlichkeit verbergen? Er wird nur das zugeben, was schon bekannt ist, den Rest versucht er zu verbergen.
Ignorantia affectata: Die Überwindung der Ignoranz wird mit negativen Affekten versehen. Der Umgang mit den Medien ist vor allem bei Fehlverhalten eher lästig.

Der Manager will sich mit Sittlichkeit nicht beschäftigen, weil ihm das zu mühsam ist. Man findet das häufig bei Politikern. Sie bleiben bei ihrem Programm, obwohl sie wissen, dass es nicht sonderlich kreativ und produktiv ist.

Es kommt also darauf an, wie ein Manager seine Verantwortung versteht. Hans Jonas hat hier mit seinem Buch "Das Prinzip Verantwortung" Pionierarbeit geleistet. Wer mit Medien verantwortungsvoll umgehen will, der wird ein sittliches Gewissensurteil fällen müssen über das, was er den Medien gegenüber behauptet. Leider ist es bei nicht wenigen Managern so, dass ihnen hier ein sittliches Gewissen abhanden gekommen ist. Das Gewissen wird ersetzt durch die normative Kraft des Faktischen. Getan wird, was getan werden muss. Da das Gewissen immer weniger aufgrund der Umstände abgefragt wird, verliert es im Umgang mit den Medien immer mehr an Bedeutung.

So stellt sich die Frage, welche Voraussetzungen notwendig sind, um mit den Medien sittlich verantwortet umzugehen. Dazu sind bereits im Unternehmen Voraussetzungen zu schaffen. Danach wird der Manager sich fragen müssen, mit welcher Einstellung, welchem Bewusstsein er auf die Medien zugehen kann.

Die Voraussetzungen innerhalb des Unternehmens:
- Die Personalpolitik sollte zur Unternehmenspolitik passen.
- Der Vorstand sollte eine erkennbare Vorbildfunktion wahrnehmen.
- Die Werte des Unternehmens dürfen nicht realitätsabgelöst sein.
- Die Grenzmoral darf der Unternehmenskultur nicht entgegenstehen.
- Die Personalpolitik darf nicht im Widerspruch zur Würde des Menschen stehen.
- Es sollte eine formale, nicht materielle Wertebestimmung existieren.
- Die Werte sollten moralisch sein.

Mit Grenzmoral ist die Auseinandersetzung mit der öffentlichen Meinung zur Unternehmensmoral gemeint. Es geht um das Verhältnis zwischen moralischem Aufwand und der möglichen Belohnung oder Bestrafung dafür. Wer sich moralisch benimmt, wird im Allgemeinen dafür belohnt. Ein Kunde kauft lieber bei einem "Saubermannunternehmen" als bei einem Unternehmer, der ein moralisches "Ferkel" ist.

- Er sollte handeln, nicht nur sich verhalten.
- Er sollte authentisch handeln, also glaubwürdig, kompetent und ehrlich.
- Er sollte bereit sein zu verantworten.
- Als Persönlichkeit sollte er Werte internalisiert haben und sich mit ihnen identifizieren.
- Er sollte möglichst frei sein von äußeren und inneren Zwängen.
- Er sollte über Primärtugenden verfügen.
- Die Lebensorientierung sollte sittlich verantwortet sein.
- Er sollte sich nicht durch ein System vereinnahmen lassen.
- Er sollte nicht nur das zugeben, was sowieso schon bekannt ist.
- Er sollte realitätsnah bewerten, was geschehen ist.
- Er sollte in den Medien keinen Feind sehen.

Wer verantwortungsvoll und sittlich mit Medien umgehen will, sollte immer berücksichtigen, dass ihn ein Gleichschaltungsmechanismus, in der modernen Meinungsforschung unter dem Begriff "Schweigespirale" bekannt, treffen kann. Dieser besondere und gut dokumentierte Mechanismus beschreibt, dass die Öffentlichkeit jene Manager mit Isolation belegt, die Meinungen vertreten, die von der öffentlichen Meinung nicht geteilt werden. Gleichzeitig sollte der Manager wissen, dass er selbst eine zumeist unbewusste Isolationsfurcht besitzt. Diese Isolationsfurcht veranlasst, sich ständig zu vergewissern, was an Meinungen und Verhaltensweisen in der Umwelt gebilligt und was missbilligt wird, und welche Meinungen in der "Öffentlichkeit" an Akzeptanz zunehmen und welche abnehmen. Gerade in der Fähigkeit, auch mit der Einsamkeit leben zu können, liegt aber auch die Stärke dieser Manager. Wer Isolation nämlich nicht fürchtet oder sich in den Kreis Gleichgesinnter zurückziehen kann, der kann seine Meinung öffentlich kundtun, ohne darunter zu leiden.