Kostbar fantastisch

Die spanische Bestsellerautorin Elia Barceló erstmalig in deutscher Übersetzung

Von Silvia CarmelliniRSS-Newsfeed neuer Artikel von Silvia Carmellini

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Literaturwissenschaftlerin und Schriftstellerin Elia Barceló ist in Spanien als Autorin des fantastischen Genres äußerst erfolgreich. Ihrem "El secreto del orfebre" verleiht Barceló nicht nur eine surreale Grundstimmung, sondern vor allem eine weiblich-melancholische Note. Jetzt erscheint der Band erstmals in einer deutschsprachigen Fassung.

Ein Goldschmied ist auf der Suche nach der rätselhaften und sehr viel älteren Geliebten aus seiner Jugendzeit. Als er nach mehr als 20 Jahren an den Ort des Geschehens zurückkehrt, findet er sich zu seiner eigenen Überraschung in eine Vergangenheit versetzt, in der sich die Altersunterschiede verkehrt haben.

Auf den ersten Blick erzählt die spanische Autorin Elia Barceló die Geschichte einer unmöglichen Liebe: Zwei Menschen, die sich voneinander leidenschaftlich angezogen fühlen, können nicht zueinander finden. Doch stellt sich alles als sehr viel komplexer dar, denn verwirrende Raum- und Zeitverschiebungen scheinen die Protagonisten in eine Zeitschleife zu bannen.

Mit viel Sinn für realistische Details und Spiegelungen spannt Barceló ein feines Netz aus echten Begegnungen und angedeuteten Wiedersehen, aus kostbaren Requisiten, die Erinnerungsstücke bleiben, und Personen, die zu neuem Leben erweckt werden. Der Leser erfährt dies alles aus der rückblickenden Perspektive des Goldschmieds und nimmt teil an dessen Bestreben, "die Unordnung" in seinem Kopf "zu bezwingen".

So geht es in diesem Buch also ganz gewiss nicht um die Verklärung einer "lächerlichen" Liebesbeziehung, sondern vielmehr um die Erinnerungsbewältigung und die Wahrnehmungsfähigkeit des Protagonisten, der sich seiner Liebe und seiner Möglichkeiten erst dann bewusst wird, wenn sie für ihn bereits unerreichbar geworden sind.

Der Roman lässt sich allegorisch lesen, was Julio Cortázar, Vorbild und Studienobjekt der Autorin, in seinen surrealen Werken wohl vermieden hätte. Ebenso wie Cortázar versteht es Barceló, den Leser zu verunsichern und ihn in den Sog unerklärlicher Ereignisse zu ziehen. Während Cortázar das Unbewusste vergegenwärtigt, gelingt es Barceló, eine unangenehme Sphäre des "wunderbar Unmöglichen" zu schaffen, die etwas aufzeigt, was sich wohl niemand gerne eingesteht: Selbst wenn man die Zeit zurückdrehen könnte, die Wahrnehmung jedes einzelnen Augenblicks wäre unverändert beschränkt. Nur in der Retrospektive erscheint die Illusion eines möglichen Wandels.

Barceló offeriert mit diesem Mix aus Melancholie und Fantastik einen echten Frauenroman, der gerade wegen seiner einfachen Sprache lyrische Qualitäten erreicht. Auf weitere Übersetzungen ihrer Werke darf man gespannt sein.

Titelbild

Elia Barceló: Das Geheimnis des Goldschmiedes. Roman.
Übersetzt aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold.
Piper Verlag, München 2003.
92 Seiten, 12,90 EUR.
ISBN-10: 3492046266

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