Der Gattopardo bittet zum Tanz

Tomasi di Lampedusas nostalgischer Roman in einer neuen Fassung

Von Silvia CarmelliniRSS-Newsfeed neuer Artikel von Silvia Carmellini

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Im "Gattopardo" schilderte Giuseppe Tomasi di Lampedusa den Niedergang des sizilianischen Adels und einer verschwenderischen Lebenshaltung. Der Piper Verlag gibt den italienischen Bestseller nun in einer um Fragmente erweiterten und völlig neu übersetzten Fassung heraus. Die Gesamtauflage aller bisherigen deutschen Ausgaben liegt allerdings bereits bei über 700.000 Exemplaren.

Im Zentrum der Handlung, die in den ersten fünfzig Jahre nach der nationalen Einigung Italiens von 1861 angesiedelt ist, steht die untergehende Lebensform der sizilianischen Adelsschicht zur Zeit des Risorgimento. Als Herzog von Palma und Palermo, Baron von Montechiaro, Fürst von Lampedusa und letzter Spross seiner adeligen Familie schlägt Giuseppe Tomasi di Lampedusa in diesem Roman einen besonders wehmütigen Ton an. Nicht ohne einen ausgeprägten Hang zur Ironie zeichnet er die Verschwendung und den Überdruss, bisweilen aber auch die geistreichen Reflexionen seiner Hauptfigur, Don Fabrizio, Fürst von Salina, nach.

Nach der italienischen erschien 1959 die erste deutschsprachige Ausgabe mit dem Titel "Der Leopard". Bereits zum Ende der 60er Jahre kamen in Italien erste Zweifel an der Originalität der veröffentlichten Fassung auf, die auf Befürchtungen Carlo Muscettas zurückgingen, dass das handschriftliche Manuskript von der gedruckten Version zu stark abweichen würde. Als in den Jahren 1995 und 1998 schließlich neue Fragmente entdeckt wurden, waren diese beim Feltrinelli Verlag der Anlass für eine nochmals ergänzte Fassung (2002), die beim Piper Verlag nun mit dem Titel "Der Gattopardo" erschienen ist.

Die Ergänzungen - ein Einschub im vierten "Teil" des Romans (bisher "Kapitel" genannt) und das zwischen zwei Kapiteln eingeschobene "Scherzo" - stellen allerdings keine wesentlichen Neuerungen für den Handlungsablauf dar. Ein verwirrend aktueller Bezug wird mit dem Auszug aus dem "Liederbuch des Hauses Salina" hergestellt, bei dem der Erzähler vorgibt, es sei in den Trümmern eines Bombenangriffs gefunden worden. Es scheint fraglich, ob dieser abrupte Zeitsprung in den Zweiten Weltkrieg einen engeren Bezug zum Roman hat, besonders formvollendet wirkt er indes nicht. Sicher hatte Tomasi di Lampedusa besondere Gründe für die Aussparung dieser Passage.

Dagegen überzeugt die neue Übersetzung von Giò Waeckerlin Induni mit einer vergleichsweise klaren Sprache, einem erheblich erweiterten Wortschatz und einem beeindruckenden Satzbau, welcher die syntaktische Kunstform Lampedusas getreu wiederzugeben vermag. Auch an der titelgebenden Pardelkatze hat die preisgekrönte Übersetzerin gefeilt und so ist aus dem "Leopard", welcher die "heraldisch-literarische Metamorphose" (Andrea Vitello) der verspielt-gefährlichen Leoparden-Katze zu einem eindeutigen Raubtier verfälschte, nun "Der Gattopardo" geworden. Dieser deutsch-italienische Kompromiss ist zwar trügerisch, verleitet er doch zu der schnellen Annahme, es handele sich um einen Familien- oder Eigennamen, dafür trifft er das ambivalente Wesen des Wappentiers um so besser. Zudem begründet Waeckerlin Induni die Besonderheit dieser Entscheidung mit einer mottoartig vorangestellten Definition und etwas ausführlicher in einem kurzen Vorwort.

Transparenz wird in dieser neuen Ausgabe groß geschrieben. Nicht nur ein Brief Giuseppe Tomasi di Lampedusas mit Anmerkungen zum Manuskript des Romans wird dem Roman vorangestellt. Auch ein Anhang mit einem Glossar wichtiger im Text gekennzeichneter Begriffe und Namen historischer Personen sowie bibliografische Hinweise und die übersetzten Anmerkungen von Gioacchino Lanza Tomasi sind beigefügt. Ein historischer Überblick zur Geschichte Siziliens während der Zeit des Risorgimento rundet die Präsentation sinnvoll ab.

Allein die Buchgestaltung verrät ein Missverhältnis von Inhalt und Verpackung. Der elfenbeinfarben glänzende Leineneinband soll vornehm wirken, doch ist er mit einem Umschlag aus durchscheinendem Plastik umgeben, auf dem eine Szene aus Luchino Viscontis Verfilmung des Romans abgebildet ist. Die Schriftzüge sind in bunte Balken gebannt, die nicht so recht zum hinterlegten Bild und schon gar nicht zum Stil des 19. Jahrhunderts passen wollen. Warum man kein Wappentier, z. B. eine Pardelkatze, für die Gestaltung des nostalgischen Romans ausgewählt hat, wird sich der ein oder andere Leser sicher fragen. Schade, dass man meint, eine so meisterhafte Fassung des Romans hinter einer marktschreierisch poppigen Fassade verstecken zu müssen.

Titelbild

Giuseppe Tomasi di Lampedusa: Der Gattopardo. Roman.
Übersetzt aus dem Italienischen von Giò Waeckerlin Induni.
Piper Verlag, München 2004.
368 Seiten, 22,90 EUR.
ISBN-10: 3492045847

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