Das "schöne Geschlecht" in fremden Gefilden

Anekdotisches über Frauen, die zwischen 1650 und 1900 die Welt bereisten

Von Mathis LeibetsederRSS-Newsfeed neuer Artikel von Mathis Leibetseder

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Als Eliza und Anthony Fay im November 1779 in Kalkutta einfuhren, "wurde das Schiff sogleich von den Booten des britenfeindlichen Hyder Ali umringt. Eine Passagierin namens Mrs Tulloh, die stets ein 'brennendes Verlangen nach einer bestimmten Art von Abenteuern' verspürte, schaffte flugs ihren Sessel an Deck, um nichts zu verpassen. Sie behauptete später, das 'sei das beste Mittel, einem Schiffbruch zu entgehen'".

Diese und ähnliche Episoden erzählt die Schriftstellerin, Buchgestalterin und Verlegerin Barbara Hodgson in ihrem neuen Buch "Die Krinoline bleibt in Kairo. Reisende Frauen 1650 bis 1900". Reisen ist zumindest ein, vielleicht sogar das Lebensthema der Autorin, denn in jedem ihrer vier Romane spielen Reisen und ferne Länder eine wichtige Rolle. Bei dem neuen Buch handelt es sich jedoch nicht um ein fiktionales Werk, sondern um ein Sachbuch.

Trotzdem bleibt Hodgson ihrer Lust am Erzählen bzw. Nacherzählen treu. Nach einer kurzen Einführung, in der die unterschiedlichen Reisemotive von Frauen benannt werden, lässt sie in elf Kapiteln eine bunte Karawane reisender und schriftstellender Frauen vor den Augen ihres Publikums vorbeiziehen. Der Weg führt durch alle fünf Kontinente. Fern von akademischen Debatten folgt sie den abenteuerlichen Pfaden ihrer Protagonistinnen, erzählt Geschichten von Entbehrung und Bewährung, von Ungeziefer und Krankheit sowie von Flucht und Leidenschaft.

Da Hodgson die Ansicht vertritt, dass das Abenteuerliche und das Staunen beim Reisen heute zu kurz kommen, legt sie den Schwerpunkt auf das Gefährliche und Beschwerliche des Umherziehens. Ferner geht es ihr darum, die reisenden Frauen als Wegbereiterinnen darzustellen, die Konventionen und Beschränkungen durchbrachen; immer wieder wählt sie deshalb Episoden aus, in denen sich zeigt, wie ihre Protagonistinnen sich in der Fremde und zu Hause gegen Vorurteile behaupteten und wie sie die mannigfachen Unbilden des Reisens erlebten und bewältigten.

Unter den Reisenden, deren Spuren Hodgson folgt, sind Frauen wie Lady Mary Wortley Montagu, Isabella Bird, Isabelle Eberhardt, Lola Montez und Ida Pfeiffer. Es handelt sich dabei freilich um die Crème weiblicher Reisender, unbekanntere Persönlichkeiten tauchen dagegen nur am Rande auf. Ferner weisen die aufgezählten Namen darauf hin, dass sich Hodgson selbst an den Gestaden des 19. Jahrhunderts offensichtlich am wohlsten fühlt. Durch weiter zurückliegende Zeiträume streift sie jedenfalls nur sporadisch, so dass das Versprechen des Titels, auch Reisende der Frühen Neuzeit vorzustellen, kaum eingelöst wird.

Wenn man das Buch immer wieder gerne in die Hand nimmt, dann liegt das jedoch nicht so sehr am Text, der doch zu sehr in seichten Gewässern bleibt, als an dessen Aufmachung. Es ist ein sehr schöner Band geworden, von der Autorin selbst gestaltet und bebildert. Nur selten schlägt man eine Seite auf, ohne dass faszinierende Abbildungen von Fotografien, Lithografien, Postkarten, Werbematerialien, Landkarten usw. einen wahren Augenschmaus bereiten. Es sind diese Abbildungen, die den eigentlichen Charme des Buches ausmachen. Zusammen mit den beigefügten Zitaten machen sie neugierig und führen in den Text hinein. Freunde wird das Buch daher vermutlich in erster Linie unter lesenden Flaneuren finden, die blätternd durch seine Seiten spazieren und sich am vielfältigen Bildmaterial erfreuen.

Titelbild

Barbara Hodgson: Die Krinoline bleibt in Kairo. Reisende Frauen 1650 bis 1900.
Gerstenberg Verlag, Hildesheim 2004.
216 Seiten, 24,00 EUR.
ISBN-10: 3806729271

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