Der gefährlichste Ort

Ein schmales Bändchen wirft erschreckende Schlaglichter auf die alltägliche Verletzung von Frauenrechten

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Die Verletzungen von Frauenrechten sind alltäglich und vielgestaltig. Sie reichen von Lohndiskriminierung aufgrund des Geschlechts und sexistischer Vermarktung des weiblichen Körpers in der Werbung über das Verbot der gleichberechtigten Teilnahme am öffentlichen Leben aufgrund religiöser Vorschriften und genitaler Verstümmelung bis hin zu Vergewaltigung, Frauenhandel und Zwangsprostitution.

In der Nord-Süd-Reihe des Lamuv Verlags hat die Vorsitzende der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes Christa Stolle nun gemeinsam mit Heike Robben einen Band zur Missachtung und Verletzung von Frauenrechten, aber auch zu deren Verteidigung herausgegeben. 26 Autorinnen informieren in 29 Beiträgen neben den bereits genannten Frauenrechtsverletzungen auch über Sextourismus und den so genannten "Bordellgürtel", der sich über eine Breite von etwa 30 Kilometern und mehreren 100 Kilometern Länge entlang der sächsischen, bayrischen und österreichischen Grenze zu Tschechien zieht, über sexualisierte Folter in der Türkei, über Zwangsheirat und Ehrenmorde, über die besonderen Probleme von Asylbewerberinnen und anderen Frauen auf der Flucht oder über die als "Stadt der toten Frauen" berüchtigte mexikanische Grenzstadt Ciudad Juárez sowie über die frauenfeindliche Familienplanung in China, die sich auf die 'Weisheit' des Philosophen Menzius beruft, der es für den "schlimmsten Undank der Söhne gegenüber den Eltern" hielt, selbst keine männlichen Nachkommen zu haben.

Frauenrechte werden bekanntlich nicht nur durch Religionen, staatliche Institutionen und deren Gesetze oder durch Fremde verletzt, die mit Frauen handeln, sie vergewaltigen oder missbrauchen. Auch Misshandlungen durch den Ehemann, Verwandte oder Lebenspartner gehören für viele Frauen zum Alltag, auch in der Bundesrepublik und anderen 'entwickelten' Staat. Wie Juliane von Krause - auch sie Vorstandsfrau von Terre des Femmes - zu berichten weiß, ist in Deutschland gerade das eigene Heim "der gefährlichste Ort für eine Frau".

Die Texte des insgesamt schmalen Bändchens umfassen meist nur wenige Seiten, aber diese sind erschreckend genug. Erfährt man doch auf dicht gedrängtem Raum beispielsweise, dass Jahr für Jahr mehr als zwei Millionen Mädchen im Alter von fünf bis fünfzehn Jahren als Prostituierte verkauft werden, weltweit jede fünfte Frau vergewaltigt wurde, 150 Millionen Frauen an den Genitalien verstümmelt wurden oder dass Lesben im Iran von Hinrichtung bedroht sind. Besonders erschütternd ist dabei vielleicht, dass sich die sexistische Gehirnwäsche - sei es durch religiöse Propaganda oder durch die Berufung auf althergebrachte Traditionen - auch bei vielen Frauen als wirksam erweist. So sind etwa annähernd 50 Prozent der Ghanaerinnen der Auffassung, ein Mann dürfe seine Frau schlagen, wenn sie ohne seine Zustimmung Verhütungsmittel benutzt. Eine Meinung, die 'nur' von 43 Prozent der Männer in Ghana geteilt wird. Mehrere der Beiträge thematisieren den Bereich "Frauen und Islam". In ihnen wird nicht nur über Steinigungen oder Jungfernschaftstest berichtet und über "die Sache mit dem Kopftuch" aufgeklärt, es wird auch die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi vorgestellt.

Die Beiträge über den erfolgreichen Kampf um Frauenrechte berichten unter anderem von NAFGEM, einer Nicht-Regierungsorganisation, die sich in Tansania gegen Genitalverstümmelung einsetzt, über die "Berliner Initiative gegen Gewalt gegen Frauen" oder die "Clean Clothes Campaigne", welche die Ausbeutung von Frauen in Billiglohnländern anprangert.

Wie sich versteht, können die kurzen Texte nur einige Schlaglichter auf die vielfältigen Frauenrechtsverletzungen werfen. Daher ist es zu begrüßen, dass der Anhang eine Liste weiterführender Literatur bietet und - vielleicht wichtiger noch - Internetadressen der wichtigsten Frauen- und Menschenrechtsorganisationen.

Titelbild

Christa Stolle / Heike Robben / Terre des Femmes (Hg.): Zum Beispiel Frauenrechte.
Lamuv Verlag, Göttingen 2004.
144 Seiten, 8,00 EUR.
ISBN-10: 3889776574

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