Dem lachenden Erlöser verdankt Adolf Holl seine Heiterkeit

Ein nicht unproblematisches Buch über den lachenden Christus

Von Ursula HomannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ursula Homann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Seit seinem Aufsehen erregenden Buch "Jesus in schlechter Gesellschaft" (1971), in dem der 1930 in Wien geborene Theologe Adolf Holl Jesus als gesellschaftlichen Außenseiter porträtiert hat, gilt er in der katholischen Kirche als Ketzer. Zwanzig Jahre lang war er, von 1953 bis 1973, Kaplan und Lehrer, bis ihn 1973 ein kirchliches Lehrverbot ereilte und er drei Jahre später als Priester suspendiert wurde. Auch sein neues Buch über den lachenden Jesus enthält viel Zündstoff.

Holl beruft sich auf einen Fund aus dem Jahr 1945 im oberägyptischen Nag Hammadi. Hier fand man in einer Klosterbibliothek frühchristliche Texte, die 1.600 Jahre lang in der Erde gelegen hatten - "linkshändige Geheimschriften, die in den Augen der siegreichen Catholica kein geeignetes Lesefutter für die Gläubigen darstellten". Immerhin ist hier von einem lachenden Christus die Rede, der seine Kreuzigung überaus komisch findet. In diesem aus dem zweiten Jahrhundert stammenden Text mit dem Titel "Apokalypse des Petrus" fragt der Apostel Jesus Christus, wer denn der Unbekannte sei, der unter dem Kreuz fröhlich lache? Und Jesus antwortet: "Der, den du neben dem Kreuz fröhlich und lachend siehst, ist der lebendige Jesus. Derjenige, hingegen in dessen Hände und Füße Nägel geschlagen werden, ist sein leiblicher Teil, sein Ersatz."

Das Christentum ist als Karfreitagsreligion angetreten. Den Auftakt dazu hatte der Völkerapostel Paulus gegeben. Der Erlöser ist ganz offensichtlich mit seinen Gläubigen unzufrieden - klagt er doch über sie: "Sie werden sich an den Namen eines Toten hängen."

Holl verfolgt in seinem Buch die Spuren, die der "lachende Christus" von der arabischen Welt über das christliche Mittelalter hinterlassen hat. Er erzählt Geschichten von ihm, respekt- und ehrfurchtslos, wie sie noch keiner erzählt hat, und zeigt, welche Folgen die Vorstellung eines ironischen Gottes nicht nur auf dem Gebiet der Theologie hätte.

Der Autor hält Zwiesprache mit dem Erlöser und erfährt von ihm: "Derjenige aber, in dessen Hände und Füße sie Nägel treiben, ist Mein Ersatzmann. Schau ihn und Mich doch genau an." Der Ersatzmann, das ist der tote Jesus, wie ihn die Herrgottschnitzer in Bauernstuben und Kirchen geliefert haben. Sein Haupt ist geneigt, seine Augen geschlossen. "Es ist vollbracht. Vater, in Deine Hände befehle ich meinen Geist."

Die Hände und Füße von Nägeln durchbohrt, das Gesicht in Agonie verzerrt, unter dem Kreuz die beiden Frauen und der Hauptmann mit der Lanze. Das Bild von Jesus als "Schmerzensmann" schien auf ewig fixiert.

So hat sich, nach Holls Dafürhalten, die Christenheit in der Traurigkeit eingerichtet. Nirgendwo findet man ein Bild des lachenden Erlösers, immer nur den toten Mann am Kreuz. Kein Wunder, dass sich die Liebe zum Tod in vielen Schriften wiederfindet, bei Sigmund Freud etwa und in den Briefen des Bischofs Ignatius, der unter Kaiser Trajan sterben musste. "Leiden", meinte dieser, "ist für mich das höchste Gut."

Der menschgewordene Gott hängt als Gekreuzigter überall herum, klagt Holl, drängt sich auf und will beachtet werden; welch eine Erleichterung, wenn neben ihm ein lachendes Double erschiene und dem pathetischen Theater göttlicher Selbsterniedrigung eine Umkehr ins Gegenteil anböte. Nietzsche, der die christliche Sache wegen ihrer lebensverneinenden Grundtendenz als das bisher größte Unglück bezeichnete, hätte den lachenden Erlöser zweifellos begrüßt. Auch C. G. Jung fühlte sich vom lachenden Christus angesprochen.

War die Kreuzigung am Ende nur eine Verwechslungskomödie?

Nein, eine Spaß-Theologie habe er mit seiner Suche nach dem lachenden Christus nicht schreiben wollen, versichert der Autor. Aber vielleicht ist das Erlösungsgeschehen doch als Zirkusnummer aufzufassen, das jedenfalls könnte man beispielsweise von Becketts "Warten auf Godot" lernen, meint Holl. "Was alle Jahre zu Ostern gefeiert wird," schreibt er, "nämlich die leibhaftige Auferstehung des Gekreuzigten aus dem Grab, diese Schluss-Pointe bibelkritischer Gelehrsamkeit nach 250 Jahren kann somit bei bestem Willen nicht als historische Tatsache aufgefasst werden, sondern allenfalls als Ergebnis inständiger Bejahung des Sinns eines sinnlosen Todes, von seiten jesusgläubiger Männer und Frauen aus dem Judenland, in den ersten paar Jahren nach Golgatha." Ohnehin besteht nach dem Modell, das der Ich-Erzähler bevorzugt, zwischen dem Sender (Gott) und den Empfängern (Menschen) ein Filter, der nur verstümmelte, ja entstellte Botschaften durchlässt. Daher könnte es durchaus sein, dass der Erlöser sich über den Menschen, der mit ihm spricht, lustig macht. Man kann nie sicher sein, was seine Antworten bedeuten, die sich der Erzähler aus den Schriften des jüdisch-christlich-gnostischen Ameisenhaufens der ersten drei Jahrhunderte nach Christi Geburt zusammensucht. Gestern war der Erlöser noch eine übel zugerichtete Leiche, vom Hinrichtungspersonal rasch beseitigt. Heute geht es ihm blendend - so blendend, dass, wer mit ihm das Gespräch sucht, sich eine Sonnenbrille aufsetzen muss.

Holl beschwört immer wieder neue Bilder und andere Personen herauf. Er wandert durch verschiedene entlegene Zeiten und Räume. Plötzlich ist er in Louisanna, dann wieder in Palästina oder in Syrien und vernimmt den Wunsch des Erlösers: "Flöten will ich, und ihr sollt tanzen! Fasst Euch an den Händen, bildet einen Kreis, mit mir in der Mitte!"

Vielleicht, vermutet Holl einmal, verbirgt sich der Erlöser im Singsang von Märchenerzählungen. Eine davon, iranischer Herkunft, war unter gnostisch angehauchten Christen beliebt. Dann wieder wird er selbst von Zweifeln befallen: "Gibt es Dich wirklich oder bilde ich mir Dich nur ein?" Aber er weiß auch: dem lachenden Erlöser verdankt er seine Heiterkeit.

Zugegeben, das Leid steht im Christentum oft im Vordergrund. Christen sehen wenig erlöst aus, sagt Nietzsche. Ein wenig Fröhlichkeit und Lachen könnten beide christliche Kirchen durchaus vertragen, aber in der Art und Weise, wie dies einem Adolf Holl vorschwebt, das eben dürfte nun auch nicht jedem behagen. Die "Frohe Botschaft" mit Spaß und Lustigkeit oder gar mit Schadenfreude untermauern, weil man einst einen Ersatzmann gekreuzigt hat, das dürfte nun auch nicht nach jedermanns Geschmack sein.

Titelbild

Adolf Holl: Der lachende Christus.
Paul Zsolnay Verlag, Wien 2005.
318 Seiten, 21,50 EUR.
ISBN-10: 3552053425

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