Sie standen an den Hängen und Pisten

Andreas Rother verfällt dem Kalauer

Von Frank MüllerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Frank Müller

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Eine gute Idee ist, wenn sie noch nie da war. Eine gute Idee ist, wenn sie 'nichts Neues' überraschend neu darstellt. Eine gute Idee ist, wenn man sie mit wenigen Worten erzählen kann. Nicht so gut ist eine Idee meist, wenn die Headline wiederholt, was das Bild bereits zeigt. Oder wenn die Headline als Reim oder Wortspiel daherkommt."

Der Auszug aus dem Copytest von Jung von Matt, einer der führenden Kreativagenturen Deutschlands, hätte Andreas Rother zu denken geben können. Denn was die Überväter der Werbung freundlich als "nicht so gut" qualifizieren, wird von Rother, einem selbst erklärten Spezialisten für Werbung, Sprache und Humor, der sich ganz nebenbei auch noch als freier Autor für Comedy-Shows hergibt, zum A und O werblicher Kommunikation erhoben. Gemeint ist der Sprachwitz.

Wer mit Mehrdeutigkeiten und sprachlichem Hintersinn arbeite, meint Rother, bekomme zur Ursprungsbedeutung noch eine Bedeutung dazu. Buy two, get one free? Gerade hier ist Vorsicht geboten: Wer einfach darauf los kalauert, läuft Gefahr, keinen echten "Zusatznutzen" zu kommunizieren, sondern die Doppeldeutigkeit zum Selbstzweck zu erheben. Wenn ein Konto "zum Abheben" ist oder bei einer Airline die Zeit "wie im Flug" vergeht, sagt dies wenig über den echten Produktvorteil aus.

Rother scheint sich dessen bewusst zu sein und macht zu den Chancen von Stilmitteln des Doppelsinns wie Traductio, Humor, Selbstironie, homophone und syntaktische Mehrdeutigkeiten sogleich die Gegenrechnung auf. Die Risiken liegen beispielsweise in der Unverständlichkeit, Missverständlichkeit oder der Unangemessenheit witziger Werbesprüche. Während die Bemerkung, dass alte Schachteln flachgelegt gehörten, unter Stammtischbrüdern durchaus für bauchklatschende Heiterkeit sorgen kann, dürfte der Claim der Supermarktkette real ("Besorg's dir doch einfach") der braven Hausfrau und Mutter die Schamesröte ins Gesicht treiben.

Ähnlich relativistisch fällt auch Rothers Fazit zum Schluss seiner Betrachtungen aus: Sprachlicher Humor in der Werbung kann wirken, muss aber nicht. Empirische Belege sind rar, vielfältig dagegen die Variablen, die bei der Beurteilung humorvoller Werbung eine Rolle spielen. Vielleicht ist das der Grund, warum die umfassende "Toolbox" für hintersinnige Kommunikation im zweiten Teil des Buchs weniger die vielfältigen Möglichkeiten humoristischer Textgestaltung ausleuchtet, als dass sie eine Mahnung sein könnte, sich der Doppeldeutigkeiten möglichst sparsam zu bedienen.

Vorschläge wie: "Lassen Sie Ihre Freundin abblitzen" (Fotograf), "Da ist der Bär los" (Zoo) und "So kehrt sich alles zum Besten" (Stadtreinigung) locken beim Leser allenfalls ein müdes Lächeln hervor. Und auch bei "Weil der Schein trügt" (Geldkarte), "Wir bringen Sie auf die Palme" (Urlaub im Süden) und "Man sollte immer einen im Tee haben" (Kandiszucker) handelt es sich um schnell verbrauchte Knalleffekte, die ein halbwegs versierter Werbetexter spätestens nach dem ersten Brainstorming dem Papierkorb überantworten würde.

Titelbild

Andreas Rother: Das kauft Ihnen jeder ab! Erfolgreiche Marketingkommunikation mit Wortspielen und Hintersinn.
REDLINE Wirtschaft, Frankfurt a. M. 2005.
200 Seiten, 17,90 EUR.
ISBN-10: 3636012029

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