Die Welt erhalten

Zum Tod des Schriftstellers Carl Amery

Von Peter MohrRSS-Newsfeed neuer Artikel von Peter Mohr

"Die Welt gehört nicht einer Gattung, sie gehört der Welt. Bisher hat sich der Materialismus damit begnügt, die Welt zu verändern; jetzt kommt es darauf an, sie zu erhalten", schrieb Carl Amery im Frühjahr 1978 in der Zeitschrift "L'76". Lange bevor die politischen Parteien sich ernsthaft mit Umweltproblemen befassten, hat der am 9. April 1922 in München unter dem bürgerlichen Namen Christian Anton Mayer geborene Schriftsteller und Essayist auf die damals drohenden und mittlerweile längst zur Realität gewordenen Probleme aufmerksam gemacht.

Bekannt geworden ist Amery, der im Herbst 1991 als erster Autor mit dem damals neugeschaffenen Münchener Literaturpreis ausgezeichnet wurde, 1958 mit dem Roman "Die große deutsche Tour". Mit bitterböser Schärfe wurde die Adenauer'sche Restaurationsgesellschaft der 50er Jahre aufs Korn genommen. Zahlreiche Hörspiele und Romane (u. a. die hoch gelobten "Wallfahrer", 1986) folgten. Hinzu kamen mehr als ein Dutzend essayistischer Schriften, die zumeist große Verbreitung fanden. Sie zeigten Amery als querdenkenden Zeitgenossen und unbequemen "Linkskatholiken". Vor allem Umweltfragen waren es, die Amery (u. a. in "Natur und Politik", 1976) beschäftigten.

Im Laufe der Jahre änderte sich jedoch seine Haltung zu naturwissenschaftlich-technischen Innovationen. In seinem Aufsatzband "Bileams Esel" (1992) steht zu lesen, dass er trotz der Bombe von Hiroshima einem ungebrochenen Fortschrittsglauben anhing. In einem mehrere Jahrzehnte währenden Entwicklungsprozess entstand daraus allerdings das krasse Gegenteil: ein exponierter Skeptizismus.

Dies unterstrich auch sein 2002 erschienener Band "Global Exit", in dem das einstige Gründungsmitglied der Grünen den Untergang unserer bestehenden Gesellschaftsordnung voraussagte und ausdrücklich vor der fortschreitenden Verschmelzung von Kapitalismus und Egoismus warnte.

Gerade apokalyptische Züge trug auch Amerys letztes Erzählwerk, der 1990 erschienene Roman "Das Geheimnis der Krypta". Auf mehreren Erzählebenen alternierend wird darin ein Wust von naturwissenschaftlichen und philosophischen Exkursen mit einem dekadenten Unterton vereint. Nicht ganz zu Unrecht bezeichnete die "Süddeutsche Zeitung" damals dieses sperrige Werk als "intellektuelles Ping-Pong-Spiel."

Carl Amery, der dem VS und dem PEN-Club vorstand, gehörte zur rar gewordenen Spezies des poeta doctus, der in keine ideologische Schublade passte. Gerade dies machte den kritischen Konservativen, der in diesem Frühjahr noch die Streitschrift "Briefe an den Reichtum" herausgegeben hatte, so sympathisch. Wie der Luchterhand Verlag mitteilte, ist Carl Amery bereits am 24. Mai in einem Münchener Krankenhaus verstorben.