Kriege als Zeichen

Christer Petersen über die "Zeichen des Krieges" in den Medien

Von Torsten MergenRSS-Newsfeed neuer Artikel von Torsten Mergen

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Literatur und Kunst scheinen oberflächlich betrachtet mit dem Thema "Krieg" wenig anfangen zu können, ist dieses doch als Teil der deutschen Lebenswelt seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs teils in weite Ferne gedrängt, teils aus historischen Gründen weitgehend tabuisiert worden. Mögliche künstlerisch-artifizielle Darstellungen werden aus dieser Distanz grundsätzlich daraufhin befragt, inwieweit sich die Poetik des "Edlen und Schönen" überhaupt auf das blutig-monströse und wenig humane Geschehen im Kontext eines Krieges einlassen könne. In einem anderen Zusammenhang hat dies Alfred Döblin für die Zeit des Zweiten Weltkriegs auf die prägnante Formel gebracht: "Im Krieg aber schweigen die Musen. Sie tun es nicht aus Eigensinn, sondern weil die Kriegsdisziplin 'Ruhe im Krieg' befiehlt und sie schafft."

Dass dieses (weit verbreitete) Diktum des "Inter arma silent musae" keineswegs zutreffend sein muss, und dass die Medien und die Literatur durchaus einen "Eigensinn" bei der Darstellung und Behandlung von Kriegen entwickelt haben, zeigt der von Christer Petersen herausgegebene Sammelband. Ausgehend von einem ebenso breiten wie tragfähigen semiotischen Verständnis des Kriegs als Zeichen wird in elf Aufsätzen der Frage nachgegangen, wie die militärischen Ereignisse der beiden Weltkriege, des Vietnam-, Bosnien- und Golfkriegs in unterschiedlichen Medien vermittelt, (auf-)bereitet und inszeniert wurden und werden.

Zeichen des Kriegs in Film und Fernsehen

Dementsprechend antwortet der Band auf interdisziplinäre und interkulturelle Weise auf die Frage nach dem "zeichenhaften Krieg". Sieben der elf Aufsätze widmen sich der cineastisch-filmischen Repräsentanz des Krieges. In einem mediengeschichtlichen Abriss zum Irakkonflikt des Jahres 2003 untersucht Jamila Adobhani die "Bilder eines angekündigten Krieges". Sowohl bei CNN als auch beim neuen arabischen Sender Al-Jazeera wird sichtbar, dass die Wahrheit im Krieg ein vieldeutiger Begriff ist, gilt doch: "Kriegszeiten sind eine Art Ausnahmezustand für die Medien." Denn beide Sender begleiteten den Beginn und den Verlauf des Kriegs auf eigentümliche Weise - instrumentalisiert von den jeweiligen Akteuren, die mit Blick auf ihr Publikum nur eine Maxime bei der Berichterstattung gelten lassen wollten: "Nur das, was gesehen werden soll, wird gesehen."

Mit "Metaereignissen" bezeichnet Hans Krah in seinem Aufsatz "Krieg und Krimi. Der Bosnienkrieg im deutschen Fernsehkrimi" jene rahmenverschiebenden Geschehnisse, die das Denken und Handeln von Menschen insofern beeinflussen, als sie deren Weltsicht nachhaltig verändern. Nach Meinung Krahs können die "Tatort"-Krimis der frühen neunziger Jahre mit den "Helden" Schimanski und Odenthal an die gesellschaftlich bekannten Bosnienkriegserfahrungen anknüpfen und diese instrumentalisieren.

In einem der Glanzlichter des Bandes belegt Lars Baumgart wiederum, dass das Proprium jeder Kriegsforschung in der Analyse der "Darstellung des Kampfes im gegenwärtigen Kriegsfilm" besteht - so der Untertitel seines Aufsatzes "Schlachtengetümmel zwischen Authentizität und Ästhetizismus". Nach geschickten Versuchen, Formen und Historie des Kriegsfilms aufzuarbeiten, wendet sich Baumgart anhand von drei ausführlich besprochenen Filmen ("Saving Private Ryan", "The Thin Red Line", "Pearl Harbor") der jeweiligen Darstellungsperspektive respektive -formen zu. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeiten des Kriegsfilms ein ganzes Spektrum ausmachen, das vom "unreflektierten 'Hurra-Patriotismus'" über "rational begründete und emotional nachvollziehbare Ablehnung des Krieges" bis zur "Ungewissheit" reicht.

Ebenso lesenswert ist Eckhard Pabst Kulturstudie über "'Let's go and get this thing done!' Krieg als die Fortsetzung kultureller Differenzen mit anderen Mitteln in Ridley Scotts Black Hawk Down". Am Beispiel der filmischen Inszenierung des Somalia-Desasters der Clinton-Administration im Jahre 1993 weist der Autor anhand akribischer Gesprächsanalysen nach, dass hier der "Verlust jeglicher Möglichkeit, den Krieg als sinnhaftes Projekt zu verstehen", cineastisch umgesetzt wurde: Krieg wird von Scott verstanden als "Ausdruck einer gegenseitigen Fremdheit" , die zwischen befreienden Amerikanern und befreiten Somalis auftritt. Entsprechend handelt es sich um die Analyse eines Antikriegsfilms, der am Ende das Ende aller Kriege aufzeigt: Tote!

Dass diese Toten nicht sinnstiftendes Element medialer Kriegsinszenierung sein können, versteht sich beinahe von selbst. Anstatt die Opferperspektive einzunehmen, gehen daher konventionelle Kriegsfilme den Weg, die Helden zu verklären, wie dies Christer Petersen in seinem Aufsatz "Der unbekannte Feind: Vietnam im filmischen Diskurs" aufzeigt. Erinnerung an Vietnam ist traumatisch, deshalb verzichten selbst kritische Streifen wie "Full Metal Jacket" oder "Platoon" auf eine konkrete Infragestellung dieses speziellen Kriegs durch Einblendung der Opfer.

Auf den ersten Blick gewöhnungsbedürftig ist der Ansatz von Barbara Schrödl, die sich des Themas "Mode und Krieg. Der Kleidkörper in nationalsozialistischen Filmen der späten 1930er und frühen 1940er Jahre" annimmt. Am Beispiel der Filme "Befreite Hände" und "Die Große Liebe" zeigt sie auf, dass das "Filmkostüm als Medium nationalsozialistischer Kriegspropaganda" fungierte.

Zeichen des Kriegs in der Literatur

Das Salz in der Suppe dieses Sammelbands bilden vier Aufsätze, die fernab der bereits wohl etablierten Filmanalyse neue Aspekte und Themenfelder potenzieller geisteswissenschaftlicher "Kriegsforschung" aufzeigen. Aus Sicht nordamerikanischer Ureinwohner sucht Renate Eigenbrod nach "Entkolonialisierende[n] Darstellungen des Zweiten Weltkrieges und de[n] 'Native Veterans' in Kanada" . Die indigene Literatur Kanadas weist zahlreiche Beispiele für die Beschäftigung mit dem Weltkrieg auf: Zu nennen sind u. a. Wagemeses Roman "A Quality of Light", Taylors Erzählung "Fearless Warrior", Wheelers Novellensammlung "Brothers in Arms" und Clements Theaterstück "Burning Vision" sowie die Lyrik Rita Joes. Gemeinsam ist allen Texten, dass in ihnen die Idee des "warriors" neue Bedeutung erhält: "Der Krieger [...] bekämpft die Ungerechtigkeit gegen Menschen" - gleichgültig auf welchem Schauplatz.

Silke Brodersens Aufsatz "Die Symbolik des Widerstands in Uwe Timms Morenga und Alfred Anderschs Winterspelt" versucht nachzuweisen, dass Literatur Gegenwelten zur alles bestimmenden Deutungsmacht im Kriegsdiskurs aufbauen kann. Entsprechend kommt den "Musen" eine enorme Bedeutung zu, die sich darin niederschlägt, dass Krieg als "ein Gefüge heterodoxer individueller und politischer Motivationen hinter ideologischen Pseudobegründungen" verstanden wird. Sowohl Timm als auch Andersch ersetzen Meinungsmonismus durch literarische Polyphonie.

Wenn man auf Krieg mit ästhetischem Widerstand antworten kann, dann kann man auch in Melancholie verfallen. Dies zeigt Gundela Hachmanns "Das Erhabene im Krieg: Medialität der Maßlosigkeit bei Raoul Schrott" . Schrotts 1998 erschienener Gedichtzyklus "Tropen" weitet den Blick durch die Gegenüberstellung von deutschen und italienischen Denkmalinschriften auf Soldatenfriedhöfen in Nordafrika. Der Mensch kann nur durch Grenzüberschreitung der Sinnlosigkeit des Krieges begegnen, indem er sein Leben transzendiert.

Aus der Reihe fällt die Studie von Charlotte Heymel, die sich mit "Kriegsreiseberichte[n] aus dem ersten 'modernen' Krieg und ihre[n] 'antimodernen' Beschreibungsmuster[n]" beschäftigt. Während bereits für die Zeit des Zweiten Weltkriegs erarbeitet worden ist, dass es ein Ausweichen in literarische Formen des so genannten Magischen Realismus gegeben hat, so gehen die Reiseberichte des Ersten Weltkriegs einen analogen Weg: "Die Kriegsreisenden bereisen den 'modernen' Krieg und schreiben von Schmetterlingen und Blumen [...], weil ihnen angesichts der Kriegsrealität die Worte fehlen."

Das inhaltliche Fazit muss positiv ausfallen: Dass Christer Petersen ein schwieriges und in Teilen unbekanntes Feld betritt, wird bereits daran ersichtlich, dass der Verlag Ludwig für Ende 2005 einen Folgeband zu den "Zeichen des Krieges" angekündigt hat, der die semiotische Ebene durch die Ebene der "Ideologisierung und Entideologisierung" - so der Titel - vervollständigen soll. Im Detail sind elf akribisch-stupende Studien erarbeitet worden, die man mit großem Gewinn liest. Lars Baumgart hat dies auf einen simplen Nenner gebracht, der als semiotische Konstante eine wichtige Erkenntnis des Sammelbands ausmacht: "Es geht um Krieg, und der Krieg ist eine existenzielle Grenzerfahrung. Diese will gefühlt werden, ganz gleich ob Leid und Elend oder Stolz und Ehre abbildend und ganz gleich an welcher Front."

Titelbild

Christer Petersen (Hg.) / Jeanne Riou: Zeichen des Krieges in Literatur, Film und den Medien. Band 1: Nordamerika und Europa.
Verlag Ludwig, Kiel 2004.
330 Seiten, 24,90 EUR.
ISBN-10: 3933598818

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