Gender Studies an der Universität Wien

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Vor nunmehr dreizehn Jahren erschien der erste Band der vom österreichischen Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur herausgegebenen "Materialien zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft". Mit "Gender Studies - Perspektiven von Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Wien" liegt nun der 18. Band der Reihe vor. Er geht auf Forschungsaufträge zurück, welche die Abteilung Gesellschaftswissenschaften des besagten Ministeriums im Herbst 2000 zum Thema "Perspektiven transdisziplinärer Geschlechterforschung" ausgeschrieben hatte.

Wie Christina Luther und Roberta Schaller-Steidl im Vorwort erläutern, sollten mit den Auftragsvergaben mittel- und längerfristige Strategien "problemorientierter Forschungsförderungspolitik" und Institutionalisierungsmaßnahmen im Bereich der Gender Studies entwickelt werden. So dokumentiert der Band ein von September 2001 bis Juni 2002 am Projektzentrum Genderforschung der Universität Wien unter dem Titel "Gender Studies (Cultural Studies?) - Perspektiven von Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Wien" durchgeführtes Forschungsprojekt, liefert quantitative Datenerhebungen und -analysen, bietet ExpertInnendiskussionen zu qualitativen Untersuchungen und entwickelt schließlich Strategien für die Implementierung der erarbeiteten Ergebnisse.

Darüber hinaus enthält der Band Beiträge von Geschlechterforscherinnen und Gender-Theoretikerinnen anderer europäischer Universitäten. Gabriele Jähnert und Ilona Pache informieren über die Neustrukturierung des "Zentrums für interdisziplinäre Frauenforschung" an der Berliner Humboldt-Universität, Martina Spirgatis berichtet über die Schwierigkeiten, welche die "budgetären Einbrüche auf Landes- und Bundesebene" der Implementierung eines interuniversitären Studiengangs Gender Studies bereiten, an dem nicht weniger als sechs bundesdeutsche Universitäten beteiligt sind. Weitere Beiträge stellen das "Centre for Women's Studies" an der Universität Nijmegen und das internationale "Gender Studies Centre" der Universität Oxford vor. In einem Interview wird Ann Philips, ihres Zeichens Leiterin des "Gender Instituts" der London "School of Economics", befragt.

Im letzten Beitrag skizziert die Mitherausgeberin Sabine Kock den Implementierungsprozess von Gender Studies an der Universität Wien, fasst die Ergebnisse einer Arbeitstagung zum Thema vom November 2002 zusammen und legt die aktuellen Problemlagen konzis dar. Für die Gender Studies, führt sie aus, stellen sich die gegenwärtigen Veränderungen der europäischen Hochschullandschaft als janusköpfig dar. Zwar bedeuten sie einerseits eine Chance, "vom bisherigen 'Forschungsrand' als Querschnittmaterie in den Lehrbetrieb integriert" und als "innovatives Forschungsfeld" anerkannt zu werden. Andererseits bedrohe die zunehmende "Ökonomisierung" der Hochschulen und deren "Adaption von Managementstrukturen" sowie die hiermit verbundenen "massiven Budgetkürzungen" die materiellen Grundlagen der Gender Studies. So könne die "Konkurrenz um Ressourcen" zur erneuten Marginalisierung führen. Besonders gefährdet sieht Kock freie WissenschaftlerInnen und fordert, "politische und juridische Bedingungen zu schaffen die den (externen!) Lehrenden kontinuierliche und gesicherte Existenzen ermöglichen!"

R. L.

Titelbild

Sabine Kock / Gabriele Moser (Hg.): Gender Studies. Perspektiven von Frauen- und Geschlechterforschung an der Universität Wien.
Verlag des Bundesministeriums für Bildung, Wissen und Kultur, Wien 2005.
323 Seiten, 22,00 EUR.
ISBN-10: 3852241154
ISBN-13: 9783852241159

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