Ein Spiegel der Literatur um 1800

Zur Akademieausgabe der Briefe an Jean Paul Friedrich Richter

Von Thomas NeumannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Thomas Neumann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Der Briefwechsel Jean Pauls ist nützlich und informativ. Er ist vielseitig und spannend, langweilig in Teilen und vielschichtig im Detail, sodass der Leser schier überfordert ist, wenn er sich eine Meinung zu dieser Materialmenge bilden soll. Die Briefe von Jean Paul gibt es in der Ausgabe von Eduard Berend schon längere Zeit, mehr oder weniger auch über den Antiquariatshandel verfügbar. Bisher sind jedoch die Briefe an Jean Paul ein Desiderat der Jean Paul Forschung, da sie nur in vereinzelten Briefwechselausgaben auszugsweise zugänglich sind. Daher hat man nun die Edition der Briefe an Jean Paul an der Arbeitstelle der Berliner Akademie der Wissenschaften begonnen. 2003 ist der erste Text- zusammen mit einem Kommentarband erschienen. Ist man an den Briefwechseln einzelner Personen mit Jean Paul interessiert, muss man sich diese aus den beiden Abteilungen der Akademieausgabe zusammensuchen. Es entspricht zwar den Geflogenheiten der Editionswissenschaften, Briefe und Gegenbriefe zusammen zu veröffentlichen, da es sich bei der Akademieausgabe aber um ein schon einige Jahrzehnte bestehendes Editionsunternehmen handelt, sind diese Aspekte kaum zu kritisieren, sondern einfach als gegeben zu betrachten.

Das Werk Jean Pauls ist editorisch in den "Sämtlichen Werken" in drei Abteilungen gut erschlossen. Die "Briefe an Jean Paul" sind jetzt als neue "Vierte Abteilung" der "Sämtlichen Werke" Bestandteil der historisch-kritischen Ausgabe, die größtenteils von Eduard Berend herausgegeben wurde. Sie schließen nahtlos an den schon edierten Korpus an. Zum Teil konnte man auf die in den neun Bänden der Dritten Abteilung herausgegebenen Anhänge zurückgreifen, die in Ansätzen schon Übersichten der nicht überlieferten Briefe und Listen der Briefe an Jean Paul mit kurzen Inhaltsangaben enthalten haben. Diese fragmentarischen Übersichten hat man in den ersten beiden Bänden der Briefe an Jean Paul um einiges ergänzen und korrigieren können, liegt das Erscheinen des letzten Briefbands doch nahezu vierzig Jahre zurück. Gerade mit der neuen Abteilung wird die Lücke im bisher edierten Korpus der Briefe von Jean Paul besonders deutlich.

Bisher liegen die ersten beiden Bände der Vierten Abteilung der "Briefe an Jean Paul" vor. Der erste Band umfasst den Zeitraum 1781 bis 1793, der zweite Band schließt mit dem Abschnitt 1794 bis 1797 an. Beiden Bänden ist ein vom Umfang gleichgewichtiger Kommentarband beigegeben. Dass jeweils Text und Kommentar miteinander erscheinen, kann gar nicht genug gelobt werden, ist es doch gang und gäbe, dass der Kommentarband zu einer Edition oft erst Jahre später, wenn überhaupt erscheint. Man hat also in beiden Fällen jeweils einen handlichen Band Briefe und gesondert den jeweiligen Kommentarband in Händen, was im praktischen Gebrauch den parallelen Umgang mit Text und Kommentar wesentlich erleichtert und unmäßiges Blättern und Suchen vermeidet.

Gibt der erste Band schon einen Überblick über die Themenfelder der Jean Paul'schen Korrespondenz und dokumentiert die Vorbereitungen der literarischen Großwerke, werden diese Inhalte im zweiten Briefband einerseits weiter vertieft, andererseits umfasst der Band gerade den Zeitraum, in dem Jean Paul zu einem der bekanntesten Schriftsteller Deutschlands avanciert. In der Zeit von 1794 bis 1797 entstehen "Hesperus" (1795), der "Siebenkäs" (1796/97) und das "Leben des Quintus Fixlein" (1796). Dazu gesellen sich die durch seinen wachsenden Bekanntheitsgrad neu hinzukommenden Briefpartner, mit denen er über gesellschaftspolitische, erzieherische und gesellschaftliche Fragen korrespondiert, wie etwa in den Briefen mit Charlotte von Kalb, von der er über die Ereignisse am Weimarer Hofe informiert wird. Geografisch lassen sich die Briefe dieses Bands schwerpunktmäßig den Orten Leipzig, Weimar und Berlin zuordnen.

Es handelt sich um eine schöne, handliche und gut gemachte Edition. Beide Bände samt Kommentar sind von kompetenten Editoren herausgegeben und unter den historischen Reminiszenzen zu einer Ausgabe auf dem aktuellen Stand editorischer Forschung geworden. Über die formalen Vorzüge hinaus ist die Edition ein Dokument der Kultur- und Zeitgeschichte - wenn es dem kompetenten Leser gelingt, die Perlen aus dem Meer der Informationen herauszudestillieren. Aber schon dieser Vorgang des Herausfindens ist spannender, als man eigentlich erwarten kann. Und: Es ist ein neues, gutes Werkzeug der Jean Paul-Forschung und ein Spiegel der Literatur um 1800. Man sieht den folgenden Bänden mit Wohlwollen entgegen. Und was könnte einer Briefedition Besseres passieren, als dass man sich auf den nächsten Band freut wie auf den nächsten Brief eines Freundes. So schreibt Henriette von Schuckmann am 19. Juli 1797 an Jean Paul: "Bald, bald ein Wort von Ihnen, es giebt mir Leben und ist Warheit. So lange ich hier im Erdenleben walte bin ich mit ganzer Seele Ihre Freundin Henriette."

Titelbild

Jean Paul: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Vierte Abteilung. Band 1: Briefe an Jean Paul 1781 bis 1793. Text und Kommentar.
Herausgegeben von Monika Meier.
Akademie Verlag, Berlin 2004.
762 und 310, 99,80 EUR.
ISBN-10: 3050032014

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Jean Paul: Sämtliche Werke. Historisch-kritische Ausgabe. Vierte Abteilung. Band 2: Briefe an Jean Paul 1794 bis 1797. Text und Kommentar.
Herausgegeben von Dorothea Böck und Jörg Paulus.
Akademie Verlag, Berlin 2005.
456 und 994, 99,99 EUR.
ISBN-10: 3050037725

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