Verunglückte Fingerübung

Elfriede Jelineks Erstlingswerk "Bukolit" als Taschenbuch

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

1969, zwei Jahre nach dem sagenumwobenen summer of love, sandte eine junge, bis dato unbekannte Autorin ihr erstes Romanmanuskript an einen der großen bundesdeutschen Verlage. Dort geriet es in die Hände eines männlichen Gutachters, der es mit harschen Worten und einem mehr als nur sexistischen Zungenschlag verwarf. "Originell an ihrem kosmischen Sex", befand er, sei nur, "dass sie das Wort 'ficken' ganz bedenkenlos hinschreibt". Im übrigen lasse "ihre Vorliebe für vegetative Monstrositäten, Kannibalen und Mitesser" ihren "Weiber-Masochismus" deutlich hervortreten, den sie mit "der Elsner" teile und für den er eine aparte Erklärung parat hatte: "Weil sie in der Küche nicht mehr und in der Politik noch nicht herumwühlen können, wühlen sie in den eigenen Eingeweiden und in denen anderer Leute herum."

Nach dieser gutachterlichen Glanzleistung lehnte der Rowohlt-Verlag das Manuskript ab und schickte es der späteren Nobelpreisträgerin retour. Erst ein Jahrzehnt später sollte es dann doch noch die Bühne der literarischen Welt betreten, allerdings nicht bei Rowohlt - der Verlag hatte zwischenzeitlich immerhin einige andere Manuskripte der Autorin gnädig angenommen -, sondern im Wiener Rombus Verlag.

Größeres Aufsehen konnte der Roman nun allerdings nicht mehr erregen. Das lag nicht zuletzt daran, dass die Zeit über seine an der Wiener Gruppe orientierten Sprachexperimente hinweggegangen war - im vorliegenden Werk etwa der Verzicht auf Interpunktion innerhalb von Sätzen, die durchgängige Kleinschreibung, die willkürlich anmutende Getrennt- und Zusammenschreibung zusammengesetzter Wörter und gelegentlich die grammatikalische Zerstörung von Sätzen. So blieb die Resonanz in den Feuilletons denn auch eher gering. In der "Süddeutschen Zeitung" äußerte sich Hans Christian Kosler verhalten positiv und erklärte es zu einem "Mißverständnis", wenn Buchhandlungen die Bücher der Autorin in die "langsam muffig werdende Ecke der Frauenliteratur" stellten, während der FAZ-Rezensent Hansjörg Graf in dem Roman nicht ganz zu Unrecht ein "Pandämonium von Sexualität und Aggression" entdeckte.

Heute nimmt sich das Buch wie eine etwas verunglückte Fingerübung der Autorin für ihre späteren Meisterinnenwerke aus. Auch manche ihrer großen Themen klingen hier schon an, wie sich nun leicht überprüfen lässt. Denn der Berliner Taschenbuch Verlag hat Elfriede Jelineks "Bukolit" mit den von Robert Zeppel-Sperl stammenden Illustrationen der Erstausgabe neu herausgebracht.

Titelbild

Elfriede Jelinek: Bukolit. Hörroman mit Bildern von Robert-Zeppel-Sperl.
Berliner Taschenbuchverlag, Berlin 2005.
90 Seiten, 7,50 EUR.
ISBN-10: 3833303182

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