Von sentimentalen Reisenden, hochfahrenden Genies und der Größe Shakespeares

Empfindsamkeit und Sturm und Drang in theoretischen Texten

Von Nikolas ImmerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Nikolas Immer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Dass Empfindsamkeit und Sturm und Drang literarische Strömungen des 18. Jahrhunderts sind, lässt sich mühelos sagen. Kaum schwerer fällt es, empfindsame Texte oder Texte des Sturm und Drang zu nennen. Schwierig wird es aber dort, wo versucht wird, die literarhistorischen Phasen theoretisch zu fassen. Denn allein schon die Diversität des bedeutsamen Materials verhindert es zumeist, auch nur einen Überblick über die zeitgenössischen Diskurse zu gewinnen. Abhilfe schafft hier der vorliegende Sammelband von Gerhard Sauder, in dem sich zentrale und auch abgelegene Texte beider Strömungen in nützlicher Auswahl präsentiert finden.

Der erste Teil, in dem die Empfindsamkeit behandelt wird, ist in sieben Abschnitte gegliedert. Er stellt neben kontemporären Definitionsversuchen, die von Laurence Sternes empfindsamer Reise ausgehen, auch Theorien aus der Popularphilosophie, Erfahrungsseelenkunde und Pädagogik vor. Der zweite Teil, dem doppelt so viel Raum gegeben ist, führt in elf Abschnitten in die Theorie des Sturm und Drang ein. Auch hier bilden ästhetische Positionen den Anfang, die sogar um Texte aus Lyrikanthologien und Rezensionen ergänzt werden. Selbstverständlich erhält auch die Portalfigur der Strömung, das Genie, seinen Platz: als Theorieform, Zerrbild und Vorbild Shakespeare. Das hochinteressante Textcorpus ist sowohl für Einsteiger als auch für Kenner des 18. Jahrhunderts eine Fundgrube, die mit wertvollen Anmerkungen, einer Zeittafel und einigen Literaturhinweisen aufwartet.


Titelbild

Gerhard Sauder (Hg.): Theorie der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang.
Reclam Verlag, Stuttgart 2003.
503 Seiten, 10,80 EUR.
ISBN-10: 3150176433

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