Die Heine-Bonbonnière

Dichterische Kleinodien direkt aus der Schachtel

Von Ute EisingerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Ute Eisinger

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am 17. Februar vor 150 Jahren ist er nach langem Leiden in der "Matratzengruft" zu Paris gestorben - der ungeliebte, verbannte oder geliebte, verkannte Nationaldichter der Deutschen, Heinrich (eigentlich Harry) Heine.

Zu diesem Anlass hat man sich vor allem in seiner Heimatstadt Düsseldorf Gedanken gemacht: Wie an den Säulenheiligen (neben den unumstrittenen Weimarern) erinnern, ohne ihn für sich zu vereinnahmen? Eine nach dem bis vor Kurzem schwelenden Streit um die Benennung der Universität und die Errichtung eines Denkmals für den "der Romantik entlaufenen" Ur-Liedermacher nicht unproblematische Frage. Denn nachdem seit 1897 erfolgreich gegen den gebürtigen Juden Heine antisemitische Stimmung gemacht worden war und die Nazis, die seine Bücher verbrennen ließen, seine berühmte "Loreley" mit "Dichter unbekannt" unterschrieben, hat sich vor allem die Linke, offiziellerseits die staatliche DDR-Rezeption, seiner aus dem Vormärz stammenden "kommunistischen" Utopien angenommen - und dies auf eine Art und Weise, die wohl nicht ganz im Sinn des Künstlers gewesen wäre.

Nun: Der ebenfalls in Düsseldorf beheimatete Grupello-Verlag löst die Aufgabe mit einem ungewöhnlichen Beitrag zum Jubiläumsjahr: einer handtellergroßen Schachtel, wie sie Juweliere und Konditoren zum Betten von Kleinodien verwenden. Die Schachtel ist allerdings kräftig blau und enthält nichts anderes als 72 quadratische Kärtchen in Postkartenstärke, die jedes ein Heine-Zitat enthalten: einmal zwei Gedichtstrophen, dann einen Aphorismus oder einen Briefausschnitt...

Um Heine unter ein größeres Publikum zu streuen - Schüler, Studenten -, ist diese Aufmachung sicher geeignet; zur Aufbewahrung im Bücherregal leider weniger: Das Behältnis wird zwischen den Buchrücken nach hinten rutschen und ist zudem an der Außenseite nicht beschriftet...

Auch wäre das Konvolut benutzerfreundlicher, hätte man die Zitate auf die leeren Rückseiten der einzelnen Quadrate gedruckt. So muss jedes in Kleinstschrift auf einem Minileporello ausfindig gemacht werden, was die Einordnung der weitgehend aus dem Zusammenhang gerissenen Texte ziemlich erschwert.

Ein kleiner Schnitzer ist bei der Produktion passiert: Kärtchen 38 kommt doppelt vor, Nummer 37 fehlt dafür.

Die Auswahl der Texte ist mit deutlichem Bezug auf Heines weltbürgerliche Attitüden erfolgt: Während aus "Deutschland - ein Wintermärchen" und "Atta Troll", seinen bekanntesten Titeln, nur je ein Kärtchen stammt, enthalten die 70 anderen vor allem Aussagen zu den Weltreligionen und den Nationaleigenschaften der Engländer, Franzosen und vor allem der Deutschen - deren kleinbürgerliche Gesinnung, Heine zu geißeln nicht müde wird: Der Engländer behandle das höchste Gut der Menschheit, die Freiheit, wie eine Gattin - im besten Einvernehmen; der Franzose leidenschaftlich wie eine Geliebte; dagegen der Deutsche, so Heine im Vormärz, wie seine Großmutter.

Alles in allem ein witziger Einfall, die von Holger Ehlert ausgewählten Texte einmal anders als in einem behäbigen Band herauszubringen. Dennoch wurde nicht ganz durchdacht, wer denn danach greifen soll... Auf keinen Fall sollte die Verpackung literarischer Texte origineller sein als ihre Inhalte aktuell - doch dies ist hier ja auch nicht der Fall.


Titelbild

Holger Ehlert (Hg.): Heine im Quadrat. 72 zweifarbig bedruckte Kärtchen in einem Karton.
Grupello Verlag, Düsseldorf 2005.
72 Seiten, 12,00 EUR.
ISBN-10: 3899780426

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