Journalistenmord und gefüllte Tomaten

Ein Fall für Kostas Charitos

Von Heiko SeibtRSS-Newsfeed neuer Artikel von Heiko Seibt

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Zwei ungeklärte Morde, undurchschaubare Figuren, die ihre kleinen und großen Geheimnisse sorgsam hüten und ein überaus menschlich wirkender Kommissar, der sich selbst als Niete bezeichnet - "Hellas Channel", Petros Markaris' erster Roman, hat alles, was ein guter Krimi braucht. Und er hat noch mehr, denn Markaris begnügt sich nicht damit, seinen zynischen, meist schlecht gelaunten Kommissar Kostas Charitos eine mysteriöse Geschichte aufdecken zu lassen, er liefert gleichzeitig auch ein eigenwilliges Porträt vom heutigen Athen, das mit verstopften Straßen und geistlosen TV-Serien aufwarten kann. Es ist ein Athen, in dem Sensationsnachrichten dankbar aufgenommen und Skandalmeldungen nicht in Frage gestellt werden.

Markaris' temporeich erzählte Geschichte von der Ermordung zweier Fernseh-Reporterinnen und obskuren Machenschaften skrupelloser Kinderhändler steckt voller Überraschungen und plötzlicher Wendungen. Scheint es gerade noch so, als sei die prominente und einflußreiche Journalistin Janna Karajorgi von neiderfüllten Kollegen umgebracht worden, denen ihr Erfolg bei Hellas Channel ein Dorn im Auge war, so stellt sich bald die Frage, ob der Mord nicht eher aus Furcht vor ihren nächsten Enthüllungen geschah.

Mit seinem Protagonisten Kostas Charitos erschafft der Autor einen eigensinnigen Antihelden, dessen Ermittlungen nicht immer von Erfolg gekrönt sind und dessen Fehlbarkeit sympathisch wirkt. Neben dem Fall, den Charitos zu bearbeiten hat, finden auch die ironisch geschilderten Ehekonflikte des Kommissars in diesem ungewöhnlichen Kriminalroman Beachtung, ebenso wie seine Vorlieben für Wörterbücher und gefüllte Tomaten. Mag der Plot zum Ende hin auch stellenweise konstruiert wirken, so tröstet doch die gewitzte, unkonventionelle Art des Erzählens über diese kleine Schwäche hinweg.

In "Hellas Channel" entlarvt der Autor die Presse als verlogene, sensationslüsterne Meute, der jedes Mittel recht ist, ihre Quoten zu steigern. Markaris prangert die Scheinheiligkeit der Journalistenbranche an, die vorgibt, Aufklärungsarbeit leisten zu wollen, in Wirklichkeit aber nur nach der nächsten Skandalmeldung giert. Doch trotz aller Kritik will "Hellas Channel" in erster Linie natürlich unterhalten, was dieser Kriminalgeschichte dank Markaris' beißendem Humor und seinem intelligenten Spiel mit den Figuren bestens gelingt.

Titelbild

Petros Markaris: Hellas Channel.
Diogenes Verlag, Zürich 2000.
461 Seiten, 23,00 EUR.
ISBN-10: 3257062419

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