Menschenrechte sind Frauenrechte

Über die Arbeit von TERRE DES FEMMES

Von Christa StolleRSS-Newsfeed neuer Artikel von Christa Stolle

"Die Frau ist frei geboren und bleibt dem Manne gleich an Rechten." Die Urheberin dieses Satzes, Olympe de Gouges, hatte im 18. Jahrhundert am eigenen Leib erfahren, was es für eine Frau heißt, ein eigenständiges Leben führen zu wollen. Sie wurde 1748 als uneheliche Tochter eines Adeligen geboren. Schon früh erkannte sie die Benachteiligung des weiblichen Geschlechts auf allen Ebenen und publizierte ihre gesellschaftskritische Meinung in Büchern, Theaterstücken, Pamphleten, offenen Briefen und Wandzeitungen.

Sie bezahlte ihren Einsatz für Frauenrechte mit dem Tod. Am 3. November 1793 starb Marie Olympe de Gouges unter der Guillotine. Sie war 45 Jahre alt. Ihre "Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin" von 1791 ist die erste Frauenrechtserklärung, die überliefert ist. Olympe de Gouges hatte sie als Gegenerklärung zur Menschenrechtserklärung der französischen Revolution von 1789 formuliert, die von der Vorherrschaft des Mannes ausging.

Sie verlangt Zugang zu allen Berufen, Gleichheit vor dem Gesetz und Gleichberechtigung im Zivilrecht. Denn in Frankreich durften Frauen jener Zeit nicht als Zeugen aussagen. Sie unterstanden der Vormundschaft des Vaters oder des Ehegatten.

Mehr als 200 Jahre später profitieren die weiblichen Nachfahren in der westlichen Welt von Olympe des Gouges Kampf für Gleichberechtigung. Schulbildung, Berufsausbildung und Studium für Mädchen und Frauen gehören heute zu den Errungenschaften moderner Demokratien.

Es gibt aber noch viele Länder, Bevölkerungsgruppen und Lebensbereiche, in denen Frauen unteilbare und selbstverständliche Menschenrechte vorenthalten werden.

So stellt der Weltbevölkerungsbericht 2000 fest: "Weltweit ist mindestens jede dritte Frau schon einmal geschlagen, zum Sex gezwungen oder auf andere Weise missbraucht worden - in den meisten Fällen von jemandem, den sie kannte".

Es gibt zahlreiche schwere Menschenrechtsverletzungen, von denen fast ausschließlich Frauen betroffen sind. Zum Beispiel:

1. Der Handel mit Frauen auf der ganzen Welt als billige Arbeitskräfte, Katalogbräute und Zwangsprostituierte. Jährlich werden mehr als zwei Millionen Mädchen im Alter von 5 bis 15 Jahren als Prostituierte verkauft.

2. Die Vergewaltigung von Mädchen und Frauen. Eine von fünf Frauen auf der Welt ist vergewaltigt worden. 75 Prozent der Vergewaltigungen werden von Tätern aus dem sozialen Nahraum begangen. Davon werden nur 10 bis 30 Prozent der Polizei gemeldet.

3. Die Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts über ihren Körper, z.B. Zwangssterilisation und Genitalverstümmelung. 150 Millionen Frauen und Mädchen sind an ihren Genitalen verstümmelt. Jedes Jahr kommen zwei Millionen hinzu.

4. Die massive Ablehnung und Tabuisierung gleichgeschlechtlicher Lebensweisen. Im Iran droht Lesben die Hinrichtung. In Chile wird lesbischen Müttern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen.

5. Die gezielte Abtreibung weiblicher Föten und die systematische Vernachlässigung von Mädchen. 100 Millionen Frauen "fehlen" aufgrund dieser Tötungen.

6. Das Verbot der gleichberechtigten Teilnahme am öffentlichen Leben aufgrund religiöser Vorschriften. So dürfen Frauen zum Beispiel in Kuwait nicht wählen und in Saudi-Arabien keinen Führerschein machen.

7. Die sexistische Vermarktung des weiblichen Körpers in der Werbung. 44,5 Prozent aller an den Deutschen Werberat gerichteten Beschwerden zwischen 1990 und 2003 betrafen 8. frauendiskriminierende Werbemaßnahmen.

8. Die Lohndiskriminierung. So verdienen erwerbstätige Frauen europaweit rund 20 Prozent weniger als ihre Kollegen.

9. Die mangelnde Chancengleichheit und Entwicklungsfähigkeit. 73 Millionen Mädchen (im Vergleich 48 Millionen Jungen) besuchen immer noch nicht die Schule.

Die Formen und der Grad der Menschenrechtsverletzungen differieren natürlich zwischen den Staaten. Auch erfasst das bloße Zusammenzählen der Gewaltakte gegen Frauen noch lange nicht die Atmosphäre des Schreckens und der Angst, die in derartigen Beziehungen herrscht.

Zahlreiche Kulturen dulden und tolerieren in bestimmten Grenzen Gewalt an Frauen als Mittel zur Durchsetzung und Erhaltung von kulturellen und familiären Normen. In einigen Teilen der Welt wird Männern das Recht zugestanden, Frauen zu bestrafen. Das Züchtigungsrecht des Mannes - übrigens in Deutschland erst im Januar 1900 aufgehoben - ist in vielen Gesellschaften tief verwurzelt. Auch viele Frauen halten Schläge und sonstige Sanktionen durch ihre Männer bis zu einem gewissen Grad für gerechtfertigt.

Frauen auf der Flucht

Aus dieser generellen Unterdrückungssituation für Frauen können Fluchtgründe für Frauen entstehen, die neben den sonst üblichen Fluchtgründen wie Krieg, politische Verfolgung etc. auftreten. Wenn Frauen sich z. B. über Moral- und Bekleidungsvorschriften wie den Schleierzwang hinwegsetzen, werden sie von der Gesellschaft verfolgt. Oft auch müssen Frauen fliehen, um furchtbaren Traditionen wie Genitalverstümmelung und Ehrenmorden zu entkommen.

Laut der UNO sind 80 Prozent aller Flüchtlinge Frauen mit ihren Kindern; in manchen Flüchtlingslagern stellen sie 90 Prozent der Belegschaft dar. Der größte Teil der Frauen flüchtet aus den gleichen Gründen wie Männer, aus Angst vor Verfolgung aus politischen und religiösen Gründen, weil ihr Land oder ihre Religion in einen Krieg oder Bürgerkrieg "verwickelt" wurde, weil ihre wirtschaftlich-sozialen Lebensgrundlagen zerstört wurden.

Verfolgung, Krieg, Inhaftierung und Folter sind nahezu immer mit sexuellem Missbrauch und der Demütigung von Frauen verbunden. Dies gilt sowohl in Fällen, in denen die Frau direkt verfolgt wird, aber auch wenn sie "nur" Angehörige oder Begleiterin von Männern ist. Gelingt Frauen dennoch die Flucht, ist diese für sie mit größeren Gefahren verbunden und viel schwieriger als für Männer. So verfügen sie meist nicht über die notwendigen finanziellen Mittel und Kontakte. Oft sind sie Misshandlungen und sexueller Gewalt skrupelloser Schleuser ausgesetzt.

Frauen sind einer doppelten Verfolgung ausgesetzt: einerseits aufgrund ihrer politischen Einstellung, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Volksgruppe oder Religion, andererseits aufgrund ihres Geschlechts.

Internationale rechtliche Verbesserungen

Geschlechtsspezifische Verfolgung wurde erstmals in den achtziger Jahren Thema. 1991 wurden die ersten Richtlinien des UNHCR zum Schutz von Flüchtlingsfrauen verabschiedet. 1993 wurde ein weiterer Schritt in die richtige Richtung getan, als auf der Weltkonferenz für Menschenrechte in Wien Frauenrechte als Menschenrechte anerkannt wurden. In dieser neuen internationalen Norm werden die verschiedenen Formen der Unterdrückung der Frau nicht mehr als Diskriminierung, sondern als Verletzung der Menschenrechte angesehen.

1998 folgte eine weitere Besserung: eine Reihe von Verbrechen wie Vergewaltigung, sexueller Sklaverei und Nötigung zur Prostitution wurde unter die Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs gestellt.

Nationale rechtliche Verbesserung für Flüchtlingsfrauen: Das Zuwanderungsgesetz

Insgesamt werden in Deutschland frauenspezifische Fluchtgründe nur ungenügend berücksichtigt. Deshalb hat die Öffentlichkeit kein Bild darüber, wie viele Frauen tatsächlich diese besonderen Gründe im Asylverfahren in Deutschland vortragen. Unter der Regierung der rot-grünen Koalition entstand ein Zuwanderungsgesetz, in dem ein Abschiebeschutz bei Verfolgung aus geschlechtsspezifischen und nichtstaatlichen Gründen festgeschrieben wurde. Bis dahin wurden diese Fluchtgründe häufig als Einzelschicksale abgetan, bagatellisiert und als unpolitisch eingestuft. Der jetzige Abschiebeschutz bedeutet allerdings keine Ausweitung der Asylgründe, sondern nur ein befristetes Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen, das nach spätestens drei Jahren überprüft wird.

Häusliche Gewalt in Deutschland

Tina W. ist zusammen mit ihren Kindern über Jahre hinweg von ihrem Ex-Ehemann extrem misshandelt und bedroht worden. Er hat sie geschlagen und sie psychisch unter Druck gesetzt, indem er ihr mehrmals drohte, sie und die Kinder umzubringen. Er hat seine Ehefrau mit einem Schwert bedroht, sie vergewaltigt und ihr Kopfverletzungen zugefügt. Die Kinder sind ebenfalls körperlich von ihm misshandelt worden. Die jüngste Tochter wurde von ihm z. B. im Alter von vier Jahren die Treppe hinunter gestoßen.

Jährlich fliehen ungefähr 40.000 Frauen mit ihren Kindern ins Frauenhaus, um sich vor Schlägen und sexuellen Übergriffen ihres Partners zu schützen.

Der gefährlichste Ort für Frauen ist ihr eigenes Zuhause, wobei die "Privatsphäre" den Täter schützt: Nachbarn und Bekannte wollen sich häufig nicht in das Familienleben Anderer einmischen. Der betroffenen Frau fällt es deshalb schwer, Hilfe "von außen" zu holen; außerdem ist der Täter ja auch Vater von ihren Kindern und möglicherweise ist sie von ihm ökonomisch abhängig. Fehlende Kinderbetreuungsangebote und die Steuergesetzgebung, beispielsweise in Form des so genannten Ehegattensplittings, erschweren es Frauen, Kind und Beruf zu vereinbaren. Diese Umstände können ihr die Entscheidung, sich aus ihrer gewalttätigen Beziehung zu lösen, erheblich erschweren.

Schweigt die Frau aus Angst vor neuen Gewalttaten entsteht häufig ein Kreislauf ohne Ende: In den meisten Fällen wiederholt sich das gewalttätige Verhalten ihres Partners.

Erfolge

Häusliche Gewalt gegen Frauen wurde gesellschaftlich und politisch lange Zeit hingenommen. Eine große gesetzliche Verbesserung in Bezug auf häusliche Gewalt gab es 1997. Seitdem ist in Deutschland die Vergewaltigung in der Ehe strafbar. Bis dahin wurde Vergewaltigung in der Ehe als Privatsache gesehen und nicht als Verbrechen.

Ein weiterer Schritt in Bezug auf die Stärkung von Frauenrechten ist das seit dem 1.1.2002 geltende Gewaltschutzgesetz. Dieses Gesetz sieht vor, dass Opfer von Gewalttaten zivilrechtlich besser geschützt sind. Kernpunkt dieses Gesetzes ist die Entfernung des Täters aus der gemeinschaftlichen Wohnung für längere Zeit.

Für diese Schutzanordnung wurde eine klare Rechtsgrundlage geschaffen. Verletzt der Täter bewusst den Körper, die Gesundheit oder die Freiheit des Opfers, kann das Gericht Betretensverbote der Wohnung und Kontaktverbote zu Frau und Kindern aussprechen. Hält sich der Täter nicht an die Schutzanweisungen, wird er strafrechtlich verfolgt.

Neben den zivilrechtlichen Verbesserungen durch das neue Gewaltschutzgesetz sind auch die Änderungen im Polizeirecht für den Opferschutz von großer Bedeutung. Hatten PolizeibeamtInnen bisher sehr begrenzte Möglichkeiten, Gewalttätern einen direkten Platzverweis zu erteilen, so kann die Polizei einem gewalttätigen Mann nun für mehrere Tage einen Platz- und Wohnungsverweis erteilen, der auch bei einer weiterhin bestehenden Gefahr verlängert werden kann.

Was tut TERRE DE FEMMES

TERRE DES FEMMES wurde 1981 in Hamburg gegründet und widmet seither ihre Arbeit unterdrückten, verfolgten und von sonstigen Diskriminierungen betroffenen Frauen und Mädchen weltweit.

Unsere Schwerpunktthemen sind seit Jahren der Kampf gegen Frauenhandel, Genitalverstümmelung, häusliche Gewalt, Ehrverbrechen, Ausbeutung von Arbeiterinnen usw. Unsere Hauptaktionstage sind der 25. November, internationaler Tag "Nein zur Gewalt an Frauen" und der 8. März, internationaler Frauentag.

1990 wurde in Tübingen der Grundstein für den Aufbau einer Bundesgeschäftsstelle mit hauptamtlichen Kräften gelegt. Durch professionelle Arbeit und intensive Werbung gelang es seit der Einrichtung dieser zentralen Anlaufstelle, die Anzahl der Mitglieder auf über 2700 Mitfrauen und Fördermitglieder zu steigern. Finanziert wird TERRE DES FEMMES und die Arbeit vor allem durch Spenden, Mitgliedsbeiträge und sporadische Zuschüsse.

Durch eigene Publikationen, Mitteilungen an die Medien, Unterschriftenkampagnen, Informationsstände, Rundschreiben und Veranstaltungen will TERRE DES FEMMES die breite Öffentlichkeit sensibilisieren, aufklären und kontinuierlich informieren über Diskriminierung, Ausbeutung, Misshandlung und Verfolgung von Frauen. Aber auch schnelle Hilfe leistet TERRE DES FEMMES, sei es durch Vermittlung von Frauen in Not an eine Kriseneinrichtung oder durch Briefaktionen an Regierungen in aller Welt, bedrohten Frauen Unterstützung zu gewähren. TERRE DES FEMMES unterhält dazu Kontakte zu Frauenorganisationen weltweit und arbeitet eng mit anderen Menschenrechtsorganisationen zusammen. In zahlreichen deutschen Städten gibt es ehrenamtlich arbeitende Gruppen. TERRE DES FEMMES unterstützt derzeit acht Selbsthilfeprojekte und Initiativen von Frauen für Frauen in Ländern außerhalb Deutschlands, u. a. drei Aufklärungsprojekte gegen Genitalverstümmelung in Afrika. Dort leisten wir einen Beitrag zur Gesundheitsförderung und letztlich zu einer größeren Eigenständigkeit und Selbstbestimmung der afrikanischen Frauen. Sobald Frauen Zugang zu Informationen bekommen, zeigt sich in der Praxis schnell, dass sie sich gegen schädliche Traditionen aussprechen und aktiv dagegen vorgehen. So bestätigt die Projektleiterin in Burkina Faso, Rakieta Poyga-Sawadogo: "Überall dort, wo gut und gründliche Aufklärungsarbeit geleistet wurde, wo Frauen, Männer, Dorfchefs und vor allem auch die Beschneiderinnen selbst einbezogen wurden, wird nicht mehr beschnitten, und besonders die Frauen sind wachsam und melden es, wenn sie von heimlicher Beschneidung hören.

In Deutschland ist unsere Kampagne "Stoppt Zwangsheirat" mit dem Preis für Demokratie und Toleranz ausgezeichnet worden. Ein wesentliches Element der Kampagne ist die Präventionsarbeit an Schulen. Dafür wurde gemeinsam mit jungen Migrantinnen ein Plakat erarbeitet. Außerdem haben wir eine Unterrichtsmappe mit Hintergrundtexten, Fallbeispielen und Mitmach-Aktionen erstellt. Immer wieder werden junge Migrantinnen gegen ihren Willen verheiratet und von der Schule abgemeldet. Sie werden um ihre Bildungschancen, das Recht auf Selbstbestimmung und persönliche Freiheit betrogen. Sie werden bewusst in Abhängigkeit und Unwissenheit gehalten.

Diesen Kreislauf gilt es mit klaren Regeln und Fördermaßnahmen zu durchbrechen, dazu gehören Integrationskurse, die Einrichtung von Anlaufstellen und Schutzeinrichtungen mit interkultureller Ausrichtung. Ebenso gehört dazu der Geist, dass Chancengleichheit und Selbstbestimmung für Mädchen und Frauen höher bewertet werden müssen als die Religionsfreiheit.

Die Herbeiführung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ist eine Frage der Menschenrechte sowie die wichtigste Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit, Frieden und Demokratie. Ein zukunftsorientierte Menschenrechtspolitik für Frauen muss von der ganzen Gesellschaft getragen werden und muss vor allem Männer in die Pflicht nehmen. Nur so lässt sich das Ziel erreichen, dass Frauen und Mädchen überall auf dieser Welt ein freies, gleichberechtigtes und selbstbestimmtes Leben führen können.

TERRE DES FEMMES
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