Ein Leben im Rotlichtmilieu

Lisa Moos beschreibt schonungslos und offen ihr Leben als Prostituierte

Von Regina KalthegenerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Regina Kalthegener

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

"Mein Name ist Lisa Moos. Ich habe ein Buch über mein Leben im Rotlichtmilieu geschrieben. Viele Jahre habe ich dort verbracht. An diesen Orten 'hoffend' zwischen Samt und Seide. ;Weinend' zwischen Leder und Latex. ;Betend' zwischen reich und arm." Mit diesen Worten begrüßt Lisa Moos Besucher und Besucherinnen ihrer ehemaligen Kontakt-Website im Internet.

"Das Buch handelt von Gewalt und Sex. Von Ehe und Einsamkeit. Von Prostitution und Muttergefühlen." In ihrem Vorwort verspricht die Autorin, dass es sich nicht um einen Leitfaden für Sex und keine Reportage über Prostitution handelt. Es ist richtig, in erster Linie handelt das Buch von dem Menschen Lisa Moos, von einer jungen Frau auf der Suche nach ihrem Lebensglück. Ohne Scheu erzählt sie von ihren Gefühlen, Sorgen, Ängsten, Abstürzen und Neuanfängen. Sie berichtet, wie es begann und wie es sich entwickelte, ihr Leben als Prostituierte, zwanzig Jahre lang. Dreimal wird sie schwanger. Das erste Mal mit 15 Jahren. Der potentielle Vater, ein verheirateter Geschäftsmann auf der Durchreise, bezahlt den Abbruch. Mit 16 wird sie wieder schwanger. Vom Freund einer Freundin. Sie war verliebt und glaubte, über Nacht ändere sich die Welt. Er versucht sie zu einer Abtreibung zu überreden. Sie heiraten. Die Beziehung zerbricht. Ihr drittes Kind wird von einem Bauarbeiter gezeugt. Der Kindesvater taucht unter. Sie gibt diesen Sohn zur Adoption frei. Mit knapp zwanzig, fühlt sie sich frei, will eine richtige Ausbildung machen. Sie ist alleinerziehende Mutter. Das Geld reicht nicht. Immer wieder kehrt sie zurück in die Prostitution.

Aber es sind nicht nur Geldsorgen, es reizt auch das schnelle Geld für einen Lebensstandard, den sie mit anderer Arbeit nicht erreichen kann. Ein Teufelskreis. Eindrucksvoll schildert die Autorin ihre innere Zerrissenheit, den ständigen Wechsel zwischen Hoffnung und Resignation und wieder Mut fassen. Ungeschminkt beschreibt sie ihre Arbeit, die unterschiedlichen Wünsche der Freier, die Perversionen, die erbärmlichen und luxuriösen Orte. Dabei spart sie nicht mit Details, gibt schockierende Einzelheiten aus dem Leben als Straßenhure, Callgirl, Edelprostituierte und Domina preis.

Prostitution ist eine Dienstleistung und seit dem Jahr 2002 in Deutschland durch das so genannte Prostitutionsgesetz als Beruf anerkannt. Trotzdem ist es nach wie vor kein Beruf wie jeder andere. Das Buch vermittelt einen realistischen Eindruck von der harten Arbeit als Prostituierte. Es lässt keinen Raum für moralische Verurteilungen, aber auch nicht für übertriebenes Mitleid. Bei allem Elend, das die Autorin erlebt, hatte sie im Gegensatz zu manchen ihrer Kolleginnen doch mehrfach die Gelegenheit, wirklich aus dem Geschäft auszusteigen.

Immer wieder macht sie weiter und nicht nur, weil sie finanzielle Rückschläge erlebt. Als sie vom Jugendamt für ihren Sohn einen Betreuer erhält, hört sie vorübergehend auf, als Prostituierte zu arbeiten. Sie ist auf Sozialhilfe und "billige Bürodienste" angewiesen. Dadurch steigt sie finanziell und sozial spürbar ab. Aber sie erfüllt alle behördlichen Auflagen, bis ihr bescheinigt wird, eine "taugliche Mutter" zu sein. Kaum wird sie aus der behördlichen Überwachung mit den Worten: "Sie schaffen das schon, auf dem richtigen Weg sind Sie nun." entlassen, kehrt sie in das Bordell "Champagnerkelch" zurück. Sie will wieder richtig Geld verdienen.

"Es war alles wie immer". Weitere Hochs und Tiefs und schwerste Phobien mit Klinikaufenthalten folgen. Sie resigniert nicht. Ihr gelingt ein Neuanfang als Domina in Spanien. "Jetzt, nach all dem, was ich erlebt hatte, würde ich keine Probleme mehr damit haben, Menschen wehzutun. Unbezwingbar groß war der Wunsch, andere zu demütigen, um mir dadurch sexuelle Lust zu verschaffen, aber auch mein Leben zu finanzieren."

Sie inseriert im Internet. Die Nachfrage ist groß. Dann schafft sie den Absprung. Zumindest scheint es so. "Alles aufgeschrieben, kann ich es verpacken und verschnüren. Dadurch vielleicht verbannen" - "Ändern kann ich nichts mehr, auch mich nicht. Aber stolz auf mich bleiben. Weiterleben, weiterträumen und weiterhoffen." Ein starkes Buch von einer starken Frau.


Titelbild

Lisa Moos: Das erste Mal und immer wieder. Autobiografische Schilderung einer Prostituierten.
Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag, Berlin 2005.
265 Seiten, 9,90 EUR.
ISBN-10: 3896026569

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