Jagd auf die Waffenhändler

Barry Eisler setzt mit "Verrat" seine Reihe um den "Tokio Killer" fort

Von Georg PatzerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Georg Patzer

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Am ehesten lernt man eine neue Liebe immer noch an seinem Arbeitsplatz kennen. Das ist statistisch erwiesen. Besser als in der Kneipe oder gar einer Disko. Und so geht es auch John Rain. Er geht zur Arbeit, trifft da eine schöne Frau, man kommt ins Plaudern, und schon hat er sich verliebt. Eine Klitzekleinigkeit ist aber doch anders. John Rain ist nämlich Profikiller. Spezialist für Todesfälle, die wie ein normaler Tod aussehen.

Trotzdem verlieben sie sich. Delilah zeigt von Anfang an wenig Angst, als sie ihn bei einem Auftrag überrascht. Kein Wunder: Sie ist hinter demselben Mann her wie er. Nur dass er Belghazi umbringen soll, sie aber soll einige Daten stehlen. Sie arbeitet für den israelischen Geheimdienst Mossad. Belghazi handelt mit Waffen, und er verkauft sie auch an Araber. Nicht nur die normalen kleinen Waffen, damit kann man leben. Sondern auch eine Etage größer, Raketen, die man mit Atomsprengköpfen bestücken könnte, mit einer Reichweite, die für einen Atomanschlag auf Israel reichen würde. Die beiden einigen sich, dass er Belghazi noch ein Weilchen leben lässt, bis sie die Daten hat.

Barry Eislers Roman "Tokio Killer - Der Verrat" ist der dritte Teil einer Reihe um den Profikiller John Rain. Rain ist japanisch-amerikanischer Abstammung und war für die USA im Golfkrieg. Er sieht, nachdem er sich die Augen noch ein wenig hat operieren lassen, wie ein Japaner aus, spricht die Sprache perfekt und lebt in den ersten beiden Teilen der Reihe in Tôkyô (so ist die richtige Schreibweise dieser Stadt). In Asien bewegt er sich viel unauffälliger als seine weißen CIA-Kollegen. Oder gar die Araber, mit denen er jetzt zu tun hat. Auch deswegen wird er immer wieder von der CIA für Aufträge angefordert, aber manchmal auch von der CIA gejagt. Im dritten Teil, "Der Verrat", hat er sich gerade nach Brasilien zurückgezogen, wo er in der großen japanischen Gemeinde gar nicht auffällt. Aber er wird wieder aufgestöbert. Es geht nicht nur nach Tôkyô, sondern auch nach China, nach Hongkong und nach Macao.

John Rain ist ein einsamer Mensch. Logischerweise: Profikiller machen sich nicht viele Freunde, sind nicht besonders vertrauensselig und haben immer Angst. Das liegt natürlich vor allem daran, dass sie nicht nur andere jagen, sondern immer in der Gefahr leben, selbst gejagt zu werden. Und so sichern sie sich stets ab, fragen sich, ob der andere Vertrauen erschleichen will, weil er hinter ihr her ist - und sie setzen sich nie mit dem Rücken zur Tür. Die Lüge ist ihre Hauptbeschäftigung. Auch deswegen verlieben sich Profikiller so häufig in Arbeitskollegen: weil die das Problem kennen.

Die Einsamkeit ist eines der Hauptmotive in Eislers Romanzyklus. Denn John Rain ist auch sensibel. Natürlich sehnt er sich nach Liebe oder Freundschaft. Nur, dass er nicht an sie glaubt, nicht an sie glauben darf, aus Selbsterhaltungsgründen. So ist er am Schluss des Romans sehr überrascht, als ein ehemaliger Kriegskollege ihn rettet, statt mit den Millionen zu verschwinden. Meistens ist Rain auf der Hut. Wie bei der Mossad-Agentin. So ganz traut er ihr nie, lässt sie überprüfen, spielt ein doppeltes Spiel, hat Angst und gleichzeitig Sehnsucht.

Aus dieser Sehnsucht kommt die leichte Melancholie, die manchmal über dem Buch liegt. Nur manchmal, denn hauptsächlich ist der Roman ein Spannungsthriller, wie man ihn erwarten kann. Mit vielen Verästelungen, mit undurchsichtigen Machenschaften, mit dem Helden, der sich, physisch wie psychisch verletzt und angeschlagen, doch immer wieder aus all den Fallen herauswinden kann. Manchmal, indem er seine Verfolger einfach umbringt. Er hat sein eigenes Netz, Unterstützer, Rechercheure. Und einen Freund. John Rain ist der Held, und er ist der Beste. Niemand sichert sich so ab wie er. Niemand tötet wie er. Ob man das als Leser nicht ein wenig unmoralisch und zynisch findet, darf jeder selbst entscheiden.

Es geht um Waffenschieber, die gleichzeitig Informanten für den CIA sind und mit ihm Geschäfte machen, es geht um den Nahen Osten und die Bedrohung durch immer bessere Waffen und um die Konkurrenz zwischen den Geheimdiensten, die ganz nach ihrem Gusto auch die Bösen unterstützen, wenn es ihnen nur nützt. So wie Amerika Bin Laden aufgebaut und unterstützt hat, bis er sich gegen sie gewandt hat. Von der Unterstützung wollen sie natürlich jetzt nichts mehr wissen: Zu prekär sind die Verbindungen noch heute. Es geht schließlich um Öl und um dicke Profite. Insofern ist Eislers Thriller auch ein halbrealistischer Bericht aus der Welt der Geheimdienste.

Leider ist der Roman in manchen Passagen allerdings geschrieben wie eine Creative-writing-Dutzendware. Wieso müssen die Amerikaner jede Einzelheit beschreiben, jede Kleidermarke nennen, jeden Straßennamen und jeden Judo- und Karategriff? Warum sind sie häufig so pathetisch und gleichzeitig umständlich? Manchmal nervt das schon ein wenig. Aber bei Eisler überdeckt die wachsende Spannung diese ungeschickten Stellen ohne weiteres.


Titelbild

Barry Eisler: Tokio Killer. Der Verrat.
Übersetzt aus dem Amerikanischen von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann.
Scherz Verlag, München 2006.
352 Seiten, 19,90 EUR.
ISBN-10: 350210025X
ISBN-13: 9783502100256

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