Kein Beginn und kein Ende - Reinhard Brandt über das Arkadien-Motiv als Kunst im Dienste der Kunst

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

In seiner jüngsten Publikation geht Reinhard Brandt, Emeritus des Instituts für Philosophie an der Philipps-Universität Marburg, dem Arkadien-Motiv in Kunst, Philosophie und Dichtung nach. Der artifizielle Arkadien-Mythos, so der Autor, kenne in sich "keinen Beginn und kein Ende" wie etwa der Mythos des Goldenen Zeitalters oder auch der des Paradieses. Weder habe Gott Arkadien geschaffen, noch seien die ersten Hirten nach einem "Fehltritt" aus ihrem "Schöpfungsidyll" vertrieben worden. So nehme der "Kunstmythos Arkadien" denn auch nicht an der "Ursprungsphantasie" und den "traumatischen Einschnitten" der Menschheit teil, sondern bleibe ein "Reservat der Kunst", die ihre Träume von Spiel und schlichtem Leben in der "arkadischen Seelenlandschaft" artikuliere und in "Nebenmotiven" die Präsenz Roms und die "Geburt des Kindes als Heilsbringer" einblende.

Vergil und Poussion, Brandt zufolge "die größten der Arkadien-Künstler", benutzten das Motiv, um die Kunst sich selbst zum Thema zu machen. So stellt der Autor Selbstreflexion von Dichtung und Malerei, wie sie in den "Eklogen" Vergils und in Poussins "Et in Arcadia ego" zum Ausdruck kommen, ins Zentrum seiner Analyse.

Sein besonderes Augenmerk gilt der kryptischen Inschrift des Sarkophags (oder handelt es sich um einen Kenotaph, fragt Brandt): "ET IN ARCADIA EGO". Wie ist sie zu verstehen? Und wer spricht hier überhaupt: der Künstler, der Tote oder gar der Tod? Wer also ist das Ego, "das sich hier in schriftlicher Fiktion an den Betrachter wendet"? Ein "vieldeutiges Rätsel, dessen genauere Festlegung nur im je einzelnen textlich-bildlichen Zusammenhang möglich ist".

Weiterhin verfolgt Brandt, die "komplexen inneren Strukturen" und Traditionsbeziehungen von der römischen Dichtung bis hin zu Goethes "doppelpoligem": "Auch ich in Arkadien" und "Arkadisch frei sei unser Glück".

Abschließend wendet Brandt sich dem gängigen "geschichtsphilosophischen Schema" zu, das der Antike "in concreto" die Reflexion abspricht, ihren Menschen die Individualität, die Persönlichkeit sowie das Gewissen und ihren Kunstwerken schließlich "die reflexive und häufig auch die persönliche Ausdruckskraft". Diesem Konstrukt widersprechend zeigt der Autor, dass die Antike "[k]eine Spur" naiv war.

R. L.

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Titelbild

Reinhard Brandt: Arkadien in Kunst, Philosophie und Dichtung.
Rombach Verlag, Freiburg 2006.
167 Seiten, 16,00 EUR.
ISBN-10: 3793094405

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