Information ist Macht

Reg Whitakers "Das Ende der Privatheit"

Von Caroline AlbertRSS-Newsfeed neuer Artikel von Caroline Albert

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Kürzlich wurde bekannt, dass die US-Firmen Abacus Direct und Doubleclick Inc. fusionieren werden. Als Ergebnis der Zusammenarbeit der größten Datenbank von Katalogkunden der USA und einem der führenden Vermarkter von Internet-Werbung befürchten Datenschützer das Ende der Anonymität im Internet, da immer spezifischere Informationen über die einzelnen Kunden zur Verfügung stehen werden. Whitakers "Das Ende der Privatheit" ist eine Lektüre, die sowohl mitreißt als auch bestürzt. Das Thema der "Informationellen Revolution", mit dem sich Whitaker beschäftigt, ist nun zur Jahrtausendwende aktueller denn je.

Der Autor führt in seinem Buch viele ähnliche Beispiele an, um die Brisanz von Information als Handelsware aufzuzeigen. Dabei verliert er sich nicht in Verschwörungstheorien oder einem unbegründeten Pessimismus. Er versteht es vielmehr, sowohl die ungeheuren Möglichkeiten der technischen Neuerungen anzuerkennen als auch die Gefahren und Probleme zu formulieren, die unserer Gesellschaft durch diese Entwicklung drohen. Dabei stehen besonders die freiheitlichen Demokratien Nordamerikas und Westeuropas im Mittelpunkt. Eines der Hauptprobleme sieht Whitaker in der Möglichkeit des Missbrauchs staatlicher und privat gesammelter Daten. Whitaker macht deutlich, wie die Privatsphäre durch die Ausbreitung der neuen Informations- und Überwachungstechniken immer mehr in Gefahr gerät, Lösungsansätze zu diesen Entwicklungen sind jedoch nicht Thema dieses Buches. "Mein Buch konzentriert sich [...] hauptsächlich auf die Bedeutung der Informationstechnologien im Zusammenhang mit politischer Macht."

Eine zentrale Rolle spielt in seinem Buch der Begriff der Panoptik, einer umfassenden Durch- und Überschaubarkeit. Durch rasend schnell anwachsenden Datenbanken werden wir immer mehr zu "gläsernen Menschen". Der Zusammenhang zwischen Überwachungs- und Informationstechnologien und sozialer Kontrolle kann nicht mehr ignoriert werden.

Besonders interessant sind Whitakers Überlegungen zur Dezentralisierung des Staates und damit zur Zersplitterung der Macht. "In den USA", so Whitaker, "sind die Datensammlungen des privaten Bereichs ?Unternehmen? den staatlichen weit überlegen, was ihre Reichweite und ihre Möglichkeiten betrifft, in das Alltagsleben der Bürger einzugreifen". Anders ausgedrückt befinden wir uns in einer Entwicklung vom "Überwachungsstaat" zur "Überwachungsgesellschaft".

Viele Beispiele aus dem alltäglichen Leben zeigen, dass ein Großteil der Bevölkerung die "Überwachungsgesellschaft" nicht als eine Bedrohung, sondern als Gewinn versteht. Von den Verbrauchern wird oft übersehen, dass Information auch Macht bedeutet. Genau an diesem Punkt setzt Whitakers gelungene Analyse an. Er beleuchtet die "Begleiterscheinungen" der "Informationellen Revolution" aus einer kritischen Perspektive und zeigt zugleich auf, wie eben diese Revolution auch demokratischen Gruppen Handlungsmöglichkeiten bietet. Die argumentative Art und Weise, mit der Whitaker darlegt, wie sich im Informationszeitalter die politische, soziale und wirtschaftliche Organisation, sowie die Machtverteilung verändert und künftig verändern kann, ist sehr überzeugend und wird manch einen wach rütteln.

Der Autor schildert die komplexen Zusammenhänge sehr klar und strukturiert. Dies ermöglicht auch Lesern ohne große Vorkenntnisse, einen umfangreichen Einblick in die Welt der neuen Informationstechniken und ihrer Risiken zu erhalten. Die entscheidende Frage ist, ob man die von Whitaker beschriebenen Entwicklungen kritiklos hinnimmt oder ob man sie bewusst erlebt und ihre positiven, aber vor allem auch ihre negativen Seiten realisiert. Dazu liefert Whitakers Buch einen wichtigen Beitrag.

Titelbild

Reg Whitaker: Das Ende der Privatheit. Überwachung, Macht und soziale Kontrolle im Informationszeitalter. Aus dem Englischen von Inge Leipold.
Verlag Antje Kunstmann, München 1999.
ca. 240, 20,30 EUR.
ISBN-10: 3888972175

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