Gartenzwerge trennen keinen Müll

Über Sabrina Kirnapcis Debütroman "Projekt Erde"

Von Timo KozlowskiRSS-Newsfeed neuer Artikel von Timo Kozlowski

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Sie kennen diese Situation sicher. Gerade eben noch waren Sie im Supermarkt und wollen eine Glühbirne kaufen - und im nächsten Moment stehen Sie mit drei Unbekannten auf einer Waldlichtung und bekommen gesagt, dass Sie die Welt retten sollen. Ach, Ihnen ist sowas noch nicht passiert. Dann sollten Sie sich für den Fall der Fälle vorbereiten und Sabrina Kirnapcis Roman "Projekt Erde" lesen.

Damit wäre schon die Ausgangssituation der Geschichte beschrieben. Die vier Auserwählten, die mit einem Mal die Erde (und das Projekt Erde) retten sollen, könnten unterschiedlicher nicht sein. Steffen ist ein Tagträumer, der mit den täglichen Erfordernissen des Lebens - wie Geld verdienen - nicht zurechtkommt. Ihm wäre es sogar recht, wenn die Welt endlich unterginge, weil niemand seine Nageldesignkunst richtig schätzt. Nicole ist eine resolute Hausfrau, der kein Schnäppchen entgeht und deren erster Gedanke auf oben genannter Waldlichtung ist, dass sie im Supermarkt, wo sie ja gerade eben noch war, noch gar nicht bezahlt hat. Castle, 40 Jahre alt, ist ein berühmter Punkrocker, dessen Leben nur aus Spiel, Spaß und Musik besteht. Luna, die vierte und letzte im Bunde der Weltenretter, ist eine Punkstudentin, der vor nichts mehr graust als vor der brav-spießigen Welt ihrer Eltern.

Diese vier stehen also auf der Waldlichtung und werden von vier skurrilen Figuren in einem gurkenförmigen Raumschiff zum Projekt Erde gebracht, einer Firma in einer Parallelwelt, deren Aufgabe es ist, den Menschen in ihren Träumen und Ähnlichem Inspirationen zu geben, kreativ zu sein. Aber seit Kurzem sinkt diese menschliche Fähigkeit auf ein beängstigend niedriges Niveau. Die ersten sitzen nur noch da und stieren vor sich hin. Eine Katastrophe, denn wenn die Kreativität auf Null sinkt, dann macht die Firma Projekt Erde keinen Gewinn mehr und wird abgewickelt, was gleichzeitig auch das Ende unserer Erde bedeuten würde.

Zunächst einmal klingt es ganz einfach, was von den vier Erdlingen gefordert wird. Sie sollen lediglich einen Fragebogen ausfüllen, mit dessen Hilfe die Verwaltung herausfinden will, was im Moment so furchtbar schief läuft. Und dazu werden ihnen jeweils ein Betreuer aus dem Projekt Erde zugeteilt, zwei aus der hellen Fraktion und zwei aus der dunklen Fraktion. Steffen bleibt bei dem Magier Lagonan und seiner Frau, die Oma Wendy heißt und Steffen so mütterlich bekocht, dass er sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig wohl fühlt und irgendwie gar kein Interesse daran hat, die Erde zu retten. Nicole wird bei dem weltfremden Dichter Motares einquartiert, der am liebsten alles, was er sagen möchte, vorher auf Pergament schreibt, um es von dort zu deklamieren, der aber offensichtlich seinen Müll nicht trennt - ein Alptraum für Nicole! Castle landet bei Asmodia in der dunklen Fraktion und liefert sich mit der zickigen Göttin einen wahren Kleinkrieg. Luna schließlich endet bei dem Vampir Rodan, der Weihnachtskugeln sammelt und gerne Detektiv wäre.

Aber es kommt natürlich ganz anders als ursprünglich geplant, denn Steffen, Nicole, Castle und Luna erleben - ganz anders als in solchen Geschichten - einen gewaltigen Kulturschock und versuchen die sprechenden Gartenzwerge, Elfen, Feen, Hexen, Schleimmonster und und und entweder zu ignorieren oder so zu erklären, dass es in ihre bisherige Weltsicht passt. Den auszufüllenden Fragebogen vergessen sie natürlich, aber am Ende ist ohnehin alles ganz anders gekommen.

Sabrina Kirnapcis "Projekt Erde" ist eine Satire, die die gängigen Science Fiction- und Fantasyklischees kräftig gegen den Strich bürstet. Glücklicherweise ist ihr Roman nicht nur eine Kopie der Bücher Douglas Adams' und Terry Pratchetts, sondern hat durchaus etwas Eigenes. Dies beginnt schon damit, dass die Figuren direkt aus dem bundesrepublikanischen Leben herausgegriffen sind, vor allem Nicole, die in einem angelsächsischen Roman eine so untypische Figur wäre, dass sie in einen Scheibenweltroman von Terry Pratchett gar nicht hineinpassen würde. Insofern sollte man Sabrina Kirnapci den Gefallen tun, sie wegen dieser Eigenständigkeit nicht als "die deutsche Terry Pratchett" zu bezeichnen, was andererseits aufgrund der Kombination aus femininem Artikel und männlichem Autor durchaus seinen eigenen Reiz hätte.

Der Charme von "Projekt Erde" liegt in erster Linie in der Gegensätzlichkeit der vier Menschen von der Erde, dem fantastischen Handlungsort und den jeweils unterschiedlichen Reaktionen darauf. Die Handlung des Romans schlägt dabei überraschende Zickzackkurven, die immer wieder zum Weiterlesen animieren. Lediglich am Ende nehmen die Überraschungseffekte etwas ab, sodass die Geschichte ein bisschen konventionell zu Ende geführt wird. Aber das ist der einzige kritische Punkt, der das Leseerlebnis letztlich nicht schmälert. Es dürfte sich jedenfalls lohnen, die Augen nach Sabrina Kirnapcis nächstem Buch aufzuhalten.


Kein Bild

Sabrina Kirnapci: Projekt Erde. Roman.
Gryphon Verlag, München 2006.
266 Seiten, 14,90 EUR.
ISBN-10: 3937800697

Weitere Rezensionen und Informationen zum Buch