Spannungsbogen und Konfliktfelder

Neue Ansätze der Gender Studies in der Biografie-Forschung

Von Rolf LöchelRSS-Newsfeed neuer Artikel von Rolf Löchel

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Biografien berühmter Persönlichkeiten erfreuen sich beim Lesepublikum einer ungebrochenen Beliebtheit. Weniger angesehen sind sie hingegen seit jeher in Wissenschaftskreisen. Anders wiederum die Biografie-Forschung, die gerade in jüngster Zeit an Renommee zu gewinnen scheint. So konstatiert Ute Frietsch denn auch eine - ihrer Auffassung nach allerdings - "fragwürdige Faszination" der "Bio-Graphie". Fragwürdig, da Bio-Grafie und Biografieforschung das "Subjekt als Fokus" affirmierten oder problematisierten und auf eben diese Weise zugleich an ihm festhielten. In einer soeben erschienenen Arbeit stellt sie "Metareflexionen" darüber an, "warum uns Biographie heute interessiert und fasziniert" und vertritt die These, "dass die ökonomische Umstrukturierung der Gesellschaft und die assoziative Nähe zu den Biowissenschaften die gegenwärtige Publizität der Biographieforschung begründe[n]." Frietschs besonderes Augenmerk gilt dem "Spannungsverhältnis" von Gender Studies und Foucault'scher Kritik. Während Gender Studies bei Fragen der Frauenförderung eher mit konstruktiven Methoden arbeiteten und bei Diskurs-Analysen dekonstruktive Ansätze verfolgten, sei Foucaults Kritik der modernen Humanwissenschaften dazu "prädestiniert", die gegenwärtige wissenschaftliche Konjunktur von Biografie-Forschung in Frage zu stellen.

Nachzulesen sind Frietschs Überlegungen in einem von Sabine Brombach und Bettina Wahrig herausgegebenen Sammelband zu "Leben und Subjektivität in neuen Ansätzen der Gender Studies". Das Buch stellt die Erträge der ersten vom Braunschweiger Zentrum für Gender Studies organisierten Tagung zusammen und führt die dort im Jahre 2004 angestoßene Diskussion fort.

Der Titel des Buchs, "LebensBilder", bindet zwei Worte zusammen, denen den Herausgeberinnen zufolge eine "Signalfunktion" für die Kultur der Moderne innewohnt und deren Komposition zwei "oszillierende Fluchtpunkte für das (Selbst-)verständnis moderner Menschen in ihrer Eigenschaft als Lebewesen und als Individuen, als Trajektorien gelebter Prozesse sowie als Subjekte und Objekte von Repräsentationen" kennzeichneten.

Als per se interdisziplinärer Forschungsansatz nähern sich die Gender Studies auch dem Thema Biografie nicht nur aus einer Fachrichtung. Dabei machen die Herausgeberinnen zwei "Konfliktfelder" aus - einmal im Spannungsverhältnis zwischen der "reflexiven Differenzierung von Konzepten, welche biographischen Konstrukten zugrunde liegen", und der "produktiven Umsetzung gelebten Frauen-Lebens in Empowerment und Veränderung". Das zweite Konfliktfeld erwachse aus dem "Ernstnehmen der künstlerischen/wissenschaftlerischen Biographie auf der einen und der Notwendigkeit ihrer reflexiven Dezentrierung auf der anderen Seite".

Der vorliegende Band gliedert sich in zwei Teile. Der erste, sicher notwendige Abschnitt enthält "Beiträge zu Biographie-Forschung und Gender Studies im Sinne von Empowerment und Frauenförderung". Interessanter jedoch ist der zweite Teil, der sich nicht so sehr auf Personen, sondern vielmehr auf deren künstlerische Praktiken konzentriert, indem er Werke der bildenden Kunst in den Blick nimmt.

Beschlossen wird der Band mit einem Beitrag von Stephanie Zuber, der das Thema von Tagung und Buch als Beispiel interdisziplinärer Herausforderungen reflektiert und die Frage nach dem Sinn eines Bands wie dem vorliegenden stellt. Dass ein Tagungsband derart endet, kann man getrost als Rarität ersten Ranges ansehen. Doch vielleicht sollte das Schule machen. Besagte Frage muss ja nicht immer negativ beantwortet werden. Und auch Zuber tut das im vorliegende Falle nicht. Zu Recht.


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Sabine Brombach / Bettina Wahrig: LebensBilder. Leben und Subjektivität in neueren Ansätzen der Gender Studies.
Transcript Verlag, Bielefeld 2005.
306 Seiten, 26,00 EUR.
ISBN-10: 3899423348

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