Kurzhaarschnitt für Brecht

Brecht in Suhrkamps neuer BasisBiographie

Von Walter DelabarRSS-Newsfeed neuer Artikel von Walter Delabar

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Es hat immer wieder Versuche gegeben, Rowohlts Bildmonograpfien zu imitieren, vielleicht sogar zu verbessern, in jedem Fall aber ähnlich erfolgreich zu sein. Nun versucht sich Suhrkamp an dem Projekt, und im Falle Brechts können wir das wunderbar begutachten.

Die Grundidee ist übernommen: Brecht wird kurz und knapp abgehandelt. Das Büchlein hat 160 Seiten, ist reich bebildert, umfasst einen gut lesbaren, sehr informativen und reichlich bebilderten Textteil, eine Zeittafel, eine Bibliografie und ein Register schließen sich an. Der größte Unterschied zum Vorbild ist die konzeptionelle Dreiteilung, die sich im Untertitel der Reihe widerspiegelt: Leben, Werk, Wirkung. Während sich also die Biographie über ihre 70 Seiten gewohnt flüssig liest, ist der Werk-Teil in kurze Skizzen zu einzelnen Werken und Werkkomplexen unterteilt. Das liest sich im Einzelnen ganz aufschlussreich, zumal Jan Knopf, Autor dieser Einführung, mit diskussionswürdigen Thesen aufwarten kann. Im Zusammenhang jedoch fehlt dem Werkteil die Eingängigkeit, die der Biografie eigen ist.

Aber wen wunderts? Benutzen lässt sich dieser Teil jedenfalls als erster Einstieg ganz gut. Der Wirkungsteil ist lediglich als Skizze zu betrachten, was angesichts des zur Verfügung stehenden Platzes angemessen ist. Die ausführliche Diskussion über die verschiedenen Werkausgaben wirkt auf den ersten Blick zwar ein bisschen arg akademisch. Da aber mit der Frankfurter und Berliner Ausgabe in großen Teilen ein völlig neuer Textkorpus vorliegt, der sich in wichtigen Teilen signifikant vom bisherigen unterscheidet, ist Knopfs Beharrlichkeit mehr als sinnvoll.

Jan Knopf hat seine Aufgabe also ganz gut gelöst. Immerhin ist von einem der besten Brecht-Kenner Beschränkung nicht wirklich zu erwarten, zu sehr wird er doch mit dem Material wuchern können, mit dem er sich seit über dreißig Jahren beschäftigt. Das ist möglicherweise auch der thesenhaften Zuspitzung zu verdanken, die Knopf gewählt hat. Dass er gleich zu Beginn einfordert, man müsse sich nun neuerdings doch mit dem wirklichen Brecht beschäftigen, mag als polemische Spitze erlaubt sein und ist - mit Recht - an das neue Niveau gekoppelt, das mit der Berliner und Frankfurter Ausgabe erreichbar erscheint. Dass freilich der Verlag im Anhang trotzdem "Me-ti. Das Buch der Wendungen" anpreist, obwohl die vom Autor diese BasisBiographie mitbetreute Ausgabe diesen Titel und das damit verbundene Werk aufgegeben hat, ist eine der amüsanten Nebenerscheinungen auf dem Spielfeld "Brecht". Dabei ließe sich hier durchaus eine eigene Brecht/Hauptmann-Philologie etablieren, wie ja auch in anderen Fällen insbesondere Elisabeth Hauptmann unser heutiges Brecht-Bild geprägt hat. Und unabhängig davon, ob nun Brecht oder Brecht in der Redaktion Elisabeth Hauptmanns Autor des Werks ist, sollte über seine Qualität nicht wirklich Aussagen zulassen. Zumal Brecht die kollektive Arbeitsweise als Basis für die Qualität seiner Arbeit schätzte. Warum nicht in diesem Fall?

Knopf nun geht es in diesem Band um die Etablierung eines neuen Brecht-Bilds, das gerade diese Produktionsform von Literatur berücksichtigt. Und das sieht ungefähr so aus: Bertolt Brecht ist schon Ende der zwanziger Jahre der literarische Weltstar der Weimarer Republik, der eigentlich nicht politisch interessiert war, sondern vor allem Interesse für seine Kunst aufbrachte. Zugleich skizziert Knopf das Bild eines ungemeinen produktiven und geselligen Autors, der ebenso nimmt wie gibt, dem vor allem das gemeinsame literarische Produkt am Herzen liegt (womit der alte Klinsch mit dem in den USA lehrenden Kontrahenten John Fuegi gleich mit erledigt ist). Dass Brecht, wie bekannt, sehr hinter dem Geld her war, begründet Knopf mit der Armut des jungen Dichters auf dem Weg zum Weltruhm. Als Philosoph, als der er in den siebziger und achtziger Jahren hervorgestellt worden ist, lässt sich Brecht allerdings nicht wirklich verkaufen: Zu sporadisch sind seine einschlägigen Lektüren. Die angeblichen Marx-Studien sind eher kursorische Erwägungen, deren Textkenntnis auf Hörensagen beruht und die sich vor allem meist auf das eigene Werk beziehen. Selbst klassische Werke des Philosophen Brecht wie das "Me-ti" verdanken sich eher seiner Redakteurin. Siehe oben.

Zudem richtet Knopf Brecht in Sachen Zusammenarbeit mit Komponisten neu aus: Da Brecht seine Lyrik vor allem auf Sangbarkeit ausgerichtet hatte, waren ihm die Anforderungen der Musik geläufig. Die Zusammenarbeit mit Kurt Weill und Hanns Eisler vor allem (Paul Dessau bleibt ein wenig am Rande) wird als gleichberechtigt und sehr fruchtbar geschildert. Weniger der Konflikt der jeweiligen Fachkoryphäen als ihre Zusammenarbeit steht für Knopf im Vordergrund.

Zentral ist für Knopf jedoch, dass Brecht kaum als Kommunist und erst recht nicht als Parteikommunist anzusehen war. Selbst seine Entscheidung für Ost-Berlin und damit für die spätere DDR ist weniger eine Entscheidung für den sozialistischen deutschen Staat, als eine Entscheidung für den Staat, der ihm Arbeitsmöglichkeiten in einem Umfang gab, wie er es für seine Theaterpraxis brauchte. Die westdeutschen Hetzkampagnen - drei zählt Knopf - passen dazu. Der Dichter der Moderne diskreditierte sich für die westdeutsche Kritik als Dichter des Kommunismus. Lediglich das Theater ließ sich davon nicht beirren. Immer wieder kam es auf Brecht zurück oder - besser - es schloss zu ihm auf. Das europäische Nachkriegstheater ist nicht zuletzt deshalb ohne Brecht nicht denkbar. Selbst Autoren, die sich von ihm absetzen wollten, bezogen sich notgedrungen auf ihn. Friedrich Dürrenmatt ist dafür ein Beispiel, und nicht das schlechteste.


Titelbild

Jan Knopf: Bertolt Brecht. Leben - Werk - Wirkung.
Suhrkamp Verlag, Frankfurt a. M. 2006.
154 Seiten, 7,90 EUR.
ISBN-10: 3518182161
ISBN-13: 9783518182161

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