Gute Idee, schlecht gemacht

In eine Ära ohne Internet blickt Josefine Rieks in ihrem Debütroman Serverland

Von Karsten HerrmannRSS-Newsfeed neuer Artikel von Karsten Herrmann

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Eigentlich ist es kaum noch vorstellbar: Eine Welt ohne Internet, eine Welt ohne Facebook, Youtube, Amazon oder WhatsApp. Doch genau dies ist die reizvolle (dystopische oder utopische?) Ausgangsidee des Debutromans der 1988 in Höxter geborenen Josefine Rieks. Ihr Protagonist Reiner ist ein anachronistischer Nerd, der alte Laptops, Computerspiele wie Alarmstufe Rot und auch gerne Pornos für seine Festplatten sammelt. Seine jüngste Errungenschaft ist ein MacBookAir, das er geradezu anhimmelt: Es „war perfekt. Viel mehr noch. Das minimalistische Trackpad, das schlanke Design, die Resistenz gegen Probleme, Systemabstürze oder Viren, hatten es zu etwas Schönem gemacht.“

Eines Tages steht dann Meyer vor Reiners Tür und fährt ihn zu einer Entdeckung im niederländischen Groningen: Eine Google-Serverhalle, in der Daten des Internets gespeichert sind: „Geschrieben von unseren Eltern. Von einer ganzen Generation, die ihre Gedanken allen anderen zugänglich gemacht hatte.“

Reiner schreibt ein Programm und besorgt alte Anschlusskabel zum Übertragen der Daten auf seine Festplatten. Nach und nach versammeln sich rund um diese Serverhalle junge Leute aus Europa und Amerika, die alte YouTube-Videos ansehen, sich für das Prinzip des „Open Source“ begeistern und vom vergangenen Ideal einer freien Vernetzung und Globalisierung, von „Freedom of speech an expression“ träumen. Es werden DVDs mit zufällig ausgewählten Videos wie zum Beispiel den Terroranschläge von 9/11 verschickt und es entsteht eine Art neue Jugendbewegung. Doch so schnell wie alles begann, ist es auch schon wieder vorbei mit der neuen alten Utopie des Internets: Schuld sind die Neuen, „die nur noch konsumierten und unsere Bewegung untergraben.“

So reizvoll die Ausgangsidee und das Setting von Rieks Roman ist, so schlecht ist die literarische Umsetzung. Nur äußerst vage erfährt der Leser, warum das Internet vor rund 20 bis 30 Jahren abgestellt worden ist und genauso vage bleiben die Motive von Reiner und Meyer. Die Utopie einer politischen Jugendbewegung und einer neuen digitalen Revolution wird nur angerissen und ansonsten ruckelt der Roman reichlich beliebig zwischen zufälligen Begegnungen, Biertrinken, Feiern, Videogucken und kruden Diskussionen in der entstehenden Kommune rund um die Serverhalle dahin. Aber zumindest gelingt es Rieks mit ihrer flotten Kurzsatzprosa und einer nerdigen Gesamtatmosphäre einen coolen Hintergrundsound beim Lesen entstehen zu lassen.

Titelbild

Josefine Rieks: Serverland. Roman.
Hanser Berlin, Berlin 2018.
175 Seiten, 18,00 EUR.
ISBN-13: 9783446258983

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