Die Tolle des Schreckens

Trump macht es möglich: „Doonesbury“-Comics auf Deutsch

Von Stefan HöppnerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Stefan Höppner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Wer in den letzten Jahrzehnten die Comicseiten amerikanischer Zeitungen studiert hat, der kennt Doonesbury. Es handelt sich um eine besonders langlebige Serie, die der Zeichner Garry „G.B.“ Trudeau vor fast einem halben Jahrhundert für die Collegezeitung der Yale University aus der Taufe hob und die seit 1970 täglich in den meisten großen Blättern erschien. Seit drei Jahren ist sie allerdings auf farbige Sonntagsstrips mit bis zu acht statt nur drei bis vier Panels ausgedünnt. Doonesbury hat einige bemerkenswerte Seiten. So arbeitet die Mehrzahl der Comics bekanntlich mit statischen Figuren. Selbst wo die Umwelt der Figuren immer wieder an die Gegenwart angepasst wird: Tim und Spirou bleiben die ewig jungen Helden, die Peanuts verlassen nie das Grundschulalter und Donald Duck wird voraussichtlich niemals das Erbe seines steinreichen Onkels antreten, weil keiner von beiden je altert oder gar stirbt. Von dieser Regel gibt es nur wenige Ausnahmen, beispielsweise die schon seit 1918 laufende Serie Gasoline Alley, die die Bewohner einer einzigen Straße über Generationen hinweg begleitet – auch bis zum Tod.

Ähnlich liegt der Fall bei Doonesbury, das nun auch schon seit 1970 erscheint. Ursprünglich handelte der Strip von einer dreiköpfigen College-WG aus dem planlosen und titelgebenden Mike Doonesbury (später Internet-Millionär), dem linksradikalen Mark Slackmeyer und dem konservativen Football-Spieler B.D., der begeistert in den Vietnamkrieg zog. Um sie lagerte sich eine immer größere Phalanx von Figuren an – vom Hippie-Slacker Zonker Harris und der Feministin Joanie Caucus bis zu Zonkers Onkel Duke, der als Parodie auf den „Gonzo-Journalisten“ Hunter S. Thompson begann, sich aber nach und nach zum faschistoiden und skrupellosen Opportunisten wandelte, der jede Möglichkeit zur persönlichen Bereicherung mitnimmt, die sich nur bietet. In den 1980ern – und das ist die Parallele zu Gasoline Alley – begann Trudeau allmählich, seine Figuren altern zu lassen. Einige starben, andere wurden geboren, wuchsen auf und zu erwachsenen Handlungsträgern heran.

Dieses Universum ist nur locker miteinander verbunden, manchmal kennen sich nicht einmal alle Figuren untereinander; gemeinsam bilden sie aber einen sozialen Kosmos, der mehr oder weniger die (weiße) Gesellschaft der USA abbildet und die politischen und sozialen Themen der Zeit aufnimmt. Doonesbury bewegt sich stets auf der Grenze zwischen Familienchronik und politischer Satire. Man könnte sagen, es handelt sich um die „Lindenstraße“ des Comics. Konsequenterweise wurde die Serie zwar als erster Comic überhaupt mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet, bezeichnenderweise jedoch in der Kategorie „Politische Karikatur“. Trudeau macht aus dem linksliberalen Standpunkt seiner Serie seinen Hehl. Dazu muss man sagen, dass auf den Comic-Seiten amerikanischer Zeitungen durchaus Platz für politische Standpunkte gibt – als Gegenpol gibt es zum Beispiel den Strip um den konservativen Erpel „Mallard Fillmore“, dessen Standpunkte der gegenwärtigen US-Regierung mitunter sehr nahe kommen. Dieser Gegenwartsbezug erfordert aufmerksame LeserInnen: So muss man nicht nur die amerikanische Alltags- und Populärkultur, sondern auch die tagesaktuellen politischen Debatten kennen, um die Witze zu verstehen. Beides – die große Zahl der Figuren und der aktuelle, kulturspezifische Bezug – machen deutsche Übersetzungen schwierig, und entsprechende Versuche Mitte der 80er blieben dann auch Episode.

Dass es nun endlich wieder einen ins Deutsche übersetzten Doonesbury-Band gibt, verdankt sich einzig einem Phänomen der Gegenwart: Donald J. Trump. Witze über ihn verstehen auch deutsche Leser. Tatsächlich war Trump bereits seit 1987 immer wieder Gegenstand des Strips und Trudeau griff seine Eskapaden regelmäßig wieder auf. Dabei wird auch das Bild, das er (wörtlich) von Trump zeichnet, im Lauf der Jahre immer düsterer und hässlicher – die Strips der 2010er Jahre zeigen die allbekannte orangefarbene Frisur in immer groteskeren Stadien der Unordnung: als Tolle des Schreckens. Trump und Trudeau hassen einander, und so bietet der Klappentext die gesammelten Schmähungen des Zeichners aus dem Mund des Präsidenten. Bessere Werbung ist nicht denkbar, denn die Sammlung von Strips aus 30 Jahren richtet sich natürlich in erster Linie an Trump-Gegner. Sie kommen auf ihre Kosten: Die Witze sind gut – und sie decken fast alles ab, was man aus der Zeit vor 2016 über den heutigen Präsidenten weiß. Nur seine aktuellen politischen Entscheidungen seit dem vergangenen Januar sind nicht berücksichtigt, was aber verständlich ist, wenn man die notwendige Zeit für die Übersetzung und Produktion des Bandes einkalkuliert.

Das ist die positive Seite. Die Konzentration auf die Trump-Episoden führt allerdings dazu, dass die eigentlichen Doonesbury-Figuren tendenziell zu Randexistenzen werden, von deren Lebensläufen immer nur kurze Snapshots zu sehen sind und die dadurch beliebig wirken. Zwar werden die meisten von ihnen – aber nicht alle – in einem eigenen „Who is Who“ eingeführt. Da die Beschreibung aber maximal zehn Worte umfasst, sind sie hoffnungslos verkürzt und dürften einige Leser eher noch verwirren. So erfährt man beispielsweise, dass Mark Slackmeyer „einer der Walden-Troika“ ist, nicht aber, dass B.D. und Mike Doonesbury die anderen beiden wären; zudem leben die drei in den hier geschilderten Jahren schon nicht mehr in der Kommune am fiktiven Walden College, die in den 70er Jahren den Hintergrund abgab, wodurch die ganze Charakterisierung für LeserInnen nur dieses Bandes kryptisch wird. Andere Figuren, die hier eingeführt werden, tauchen in den hier abgedruckten Strips kaum auf, während wieder andere wie der junge CIA-Praktikant Jeff Redfern (Sohn der anfangs vorgestellten Figuren Joanie Caucus und Rick Redfern) im „Who is Who“ nicht auftauchen. Gerlinde Althoffs Übersetzung ist solide, scheint aber bisweilen mit heißer Nadel gestrickt. Das merkt man zum Beispiel daran, dass sich Figuren auf Deutsch siezen, die sich zuvor bereits geduzt hatten. Schließlich verwickelt sich auch Trudeaus Erzählung gelegentlich in Widersprüche, etwa wenn B.D.s Ehefrau, das Starlet Boopsie, als Geliebte von Trumps Konkurrent Duke gecastet wird und sich beide zum ersten Mal treffen, obwohl sie sich aus früheren Strips längst kennen müssten.

Das sind viele Haare in der Suppe, zugegeben. Das Schöne aber ist, dass es zum ersten Mal seit über 30 Jahren Doonesbury auf Deutsch zu lesen gibt. Die Hoffnung ist, dass neugierig gewordene LeserInnen Geschmack an der Originalserie finden, deren Bände über die üblichen Online-Vertriebswege problemlos erhältlich sind. Als Einführung in Trudeaus Kosmos sei die erste Anthologie The Doonesbury Chronicles empfohlen, in der Strips aus den Jahren 1970 bis 1974 versammelt sind und in der die erste Generation der Hauptfiguren eingeführt wird. Aber auch wer sich nicht so weit vorwagen will, kommt hier wenigstens bei den Trump-Witzen auf seine Kosten.

Titelbild

G.B. Trudeau: Trump! Eine amerikanische Dramödie.
Übersetzt aus dem amerikanischen Englisch von Gerlinde Althoff.
Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2017.
112 Seiten, 18,80 EUR.
ISBN-13: 9783962190002

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