Oh, wie schön ist unser Wald

Auf Spurensuche mit Förster Peter Wohlleben über „Das geheime Leben der Bäume“ und „Das Seelenleben der Tiere“

Von Vanessa RennerRSS-Newsfeed neuer Artikel von Vanessa Renner

Besprochene Bücher / Literaturhinweise

Auf in den Wald, hinaus ins Grüne! Den Kopf in den Nacken, den Blick den Stamm entlang, hinauf zu den Baumwipfeln. Wer beginnt, sich in die Lektüre des Forstwirts Peter Wohlleben zu vertiefen – nach seinem Bestseller im vergangenen Jahr „Das geheime Leben der Bäume“ erschien zuletzt „Das Seelenleben der Tiere“ –, möchte das Buch am liebsten direkt wieder aus der Hand legen, um eben dieses geheime und irgendwie auch geheimnisvolle Leben direkt vor Ort zu erkunden.

In kurzweiligen Kapiteln – überschrieben mit flotten Titeln –  öffnet der Autor die Augen für naturwissenschaftliche Zusammenhänge rund um das Ökosystem Wald. Sei es vergessener oder nie wirklich verstandener Schulstoff: Wie war das nochmal mit der Fotosynthese? Wechsel- oder gleichwarm? Winterschlaf ja oder nein? Seien es aktuelle Debatten der Forschung, so die Frage nach dem Zeitgefühl von Obstbäumen und deren Fähigkeit, den Temperaturanstieg einiger lauer Wintertage vom echten Frühlingsbeginn zu unterscheiden. Oder die bislang nicht endgültig geklärten Transportwege des Wassers vom Boden zu den Blättern der Bäume. Daneben schildert der Förster zahlreiche eigene Beobachtungen aus seinem reichen Erfahrungsschatz. 20 Jahre arbeitete Wohlleben in der Landesforstverwaltung, bevor er der klassischen Forstwirtschaft den Rücken kehrte, um als Leiter eines umweltfreundlichen Forstbetriebs in der Eifel neue, sanfte Wege zu beschreiten, die Ökologie und Ökonomie in Einklang zu bringen vermögen – so formuliert es der Förster auf seiner Homepage. Doch auch seine Familie, zu der neben Frau und Kindern tierische Mitbewohner wie Hund Barry, Hahn Fridolin, eine kleine Ziegenherde und eine treue Krähe gehören, bieten immer wieder Stoff für allerlei kleine Anekdoten.

Doch Peter Wohlleben ist nicht nur ein unterhaltsamer Erzähler, er ist vor allem ein ausgesprochen guter Erklärer, der es versteht, sein Fachgebiet auch „Waldanfängern“ verständlich zu machen. Anstelle von langwierig-hochtrabenden und komplizierten Ausführungen findet er treffsicher griffige Metaphern, die komplexe Sachverhalte veranschaulichen. Die Pilze als „Internet des Waldes“, über die verschiedene Bäume miteinander „verkabelt“ Informationen austauschen können, ist sicherlich eine der Schönsten.

Hierbei ist das Engagement Wohllebens für Umwelt und Tiere – schon als Kind wollte der Forstwirt nach eigenem Bekunden Naturschützer werden – spürbar. Und das nicht nur zwischen den Zeilen, sondern als Impetus, als innere Haltung, vielleicht als Motor für sein Schreiben. So sind seine beiden Bände nicht zuletzt ein Plädoyer für mehr Respekt im Umgang mit der – wie er es bezeichnet – „belebten Mitwelt“. Beispiel Massentierhaltung: Warum, so fragt er an einer Stelle, setzt sich das gesicherte Wissen um die Intelligenz der Hausschweine nicht durch? Die Antwort liegt (wohl nicht nur) für ihn auf der Hand. Es ist ökonomisch nicht gewollt, dass Fleischessern der Appetit vergeht.

Soweit, so richtig, so gut. Denn ein Problem zieht sich durch Wohllebens Publikationen, das die Lesefreude trübt. Es liegt in der Frage begründet, welche Art von Buch seine beiden Bände sein wollen. Zunächst einmal sind es Sachbücher, die zum großen Teil sehr anspruchsvoll auf zahlreiche wissenschaftliche Studien verweisen und so von der Fachkenntnis und Belesenheit des Autors zeugen. Da stört es keineswegs, dass Wohlleben auch Überlegungen riskiert, die teilweise über den wissenschaftlichen Konsens hinaus beziehungsweise konträr zu ihm liegen. Das ist der Fall, wenn es um eine wie auch immer zu definierende Seele von Tieren, um Emotionen und Gefühle wie Dankbarkeit oder Glück geht. Hier hilft laut Wohlleben „pure Wissenschaft nach dem Gebot der Sachlichkeit“ nicht weiter. Ebenso wirft er die Frage nach der willkürlichen Grenzziehung zwischen Tier- und Pflanzenwelt auf, wenn er Bäumen ein „Gehirn“ und ein Erinnerungsvermögen zuspricht. Aber es sind nicht diese Überlegungen, die problematisch erscheinen.

Problematisch ist vielmehr das in diesem Zusammenhang vermenschlichende Vokabular, mit dem Tiere und Pflanzen beschrieben werden. Da gibt es Eichen mit ängstlichem, vernünftigem oder mutigem Charakter. Oder Buchen, die ihre Baumbabys stillen und erziehen. Das mag vielleicht noch putzig sein. Birken, die unter Burn-Out leiden, Fichten und Kiefern, die kurz vorm Verdursten gar um Hilfe schreien, klingen dann jedoch irgendwie schräg. Ärgerlich ist, dass derartige Formulierungen die beiden Titel ein Stück weit in die Esoterik-Ecke befördern, ebenso wie die Wahl der Buchcover: ein verträumt dreinblickendes Reh auf einer Lichtung im Märchenwald und eine romantische Sonnenuntergangsstimmung in Rot-Orange.

Das ist schade, denn es lenkt allzu sehr von der ganz und gar unromantischen Ernsthaftigkeit der beiden Bände ab. Sie sind lesenswert und vor allem: „nachdenkenswert“.

Titelbild

Peter Wohlleben: Das geheime Leben der Bäume. Was sie fühlen, wie sie kommunizieren – die Entdeckung einer verborgenen Welt.
Ludwig Verlag, München 2015.
224 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783453280670

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Titelbild

Peter Wohlleben: Das Seelenleben der Tiere. Liebe, Trauer, Mitgefühl – erstaunliche Einblicke in eine verborgene Welt.
Ludwig Verlag, München 2016.
239 Seiten, 19,99 EUR.
ISBN-13: 9783453280823

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