Literarisches Quartett
Informationen über das Literarische Quartett jetzt auch in unserem umfassenden Internetportal Marcel Reich-Ranicki
Sendungen vom 2. März, 4. Mai und 22. Juni mit Notizen zur Diskussion finden Sie hier!
Sendung am 17. August 2001 Gast: Robert SchindelBesprochene Bücher: Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm. Thomas Hürlimann: Fräulein Stark. Novelle. Robert Menasse: Die Vertreibung aus der Hölle. Suhrkamp, Frankfurt
2001. DM 49,80/ EUR 25,46 Sven Regener: Herr Lehmann. Ein Roman. Eichborn Verlag, Frankfurt
2001. Peter Stamm: Ungefähre Landschaft.
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Sendung am 19. Oktober 2001 Gast: Josef Haslinger Besprochene Bücher: Rainer Merkel: Das Jahr der Wunder. Josef Winkler: Natura morta. Eine römische Novelle. Ulla Hahn: Das verborgene Wort. Bernhard Schlink: Selbs Mord. Diogenes, Zürich 2001. Bodo Kirchhoff: Parlando.
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Die letzte Sendung am 14. Dezember 2001 Gast: Jügen Busche
Durs Grünbein: Das erste Jahr. Berliner Aufzeichnungen. Tendenz: Zwei gegen zwei. Ralf Rothmann: Ein Winter unter Hirschen. Tendenz: Allgemeines Lob zwischen Schulterklopfen und Begeisterung. Margit Schreiner: Haus, Frauen, Sex. Tendenz: sehr gegensätzliche Einschätzung. Christoph Peters: Kommen und gehen, manchmal bleiben. 14 Geschichten.
Tendenz: übereinstimmend in gleichzeitigem Lob und Tadel. Alle sehen große Qualitätsschwankungen. Ein "enorm unsicherer" Autor (Radisch), doch "hochbegabt". An den Texten hätte das Lektorat mit dem Autor intensiv arbeiten müssen, doch haben, so R-R, Verleger heute kaum noch den Mut, sich mit ihren Autoren anzulegen, weil diese sonst einfach den Verlag wechseln. Johann Wolfgang Goethe: Die Leiden des jungen Werther. R-R plädiert für eine Literaturkritik, die in der Lage ist, den Erfolg bestimmter Bücher und Autoren zu erklären. Radisch und Karasek heben die revolutionäre Befreiung aus gesellschaftlichen Zwängen hervor. Radisch ist erstaunt über die Voraussetzungslosigkeit, mit der das Buch noch heute gelesen und verstanden werden kann, und zeigt sich beeindruckt von Werthers unbedingtem Verlangen nach Liebe ohne Aufschub. Busche findet die Tatsache, dass hier ein Mann einem anderen Mann sein Herz ergießt, bahnbrechend. Die provokative Behauptung von Radisch (gleichsam stellvertretend für Sigrid Löffler), dass "junge Leute sich nicht für literarische Liebesgeschichten interessieren", sondern nur ältere, verfehlt ihre Wirkung auf R-R nicht. Doch der erklärt die literarische Wirkung und den Erfolg abschließend nicht aus dem Stoff des Romans, sondern vor allem mit Goethes professionell beherrschten Mitteln literarischer Kunst. Mit seinen Belegen dafür gewinnnt die Werther-Debatte im Quartett, bei der jeder über einen anderen, offensichtlich nicht allzu gründlich gelesenen Text zu sprechen schien, deutlich an Niveau. Gleich zweimal zitiert er am Ende sichtlich bewegt die drei letzten Sätze des letzten Textes, der im letzten Literarischen Quartett besprochen wurde: "Man fürchtete für Lottens Leben. Handwerker trugen ihn. Kein Geistlicher hat ihn begleitet." Fazit: "Vorhang zu." Begleitet vom Bundespräsidenten, fand eine bedeutende, dreizehn Jahre währende Episode in der Geschichte der deutschen Literaturkritik ihr Ende. Wir werden das Quartett künftig vermissen. |
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